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am 19. Juni entdeckte ich auf der Tranchot-Karte (Jean Joseph Tranchot: "Topographischen Aufnahme der Rheinlande", 1801-1814) den Standort einer "Moulin de Bracht", also einer Brachter Mühle, die rund 840 Meter in Luftlinie von Standort der 1855 errichteten Brachter Mühle entfernt liegt. Es gibt dazu nur wenig offiziell bekannte Informationen: Besagten Eintrag auf der Tranchot Karte, die Flurbezeichnung "An der Alten Mühle" auf der Deutschen Grundkarte, sowie den abfälligen Hinweis eines Müllers der 1855 errichteten Brachter Mühle, bei der "Moulin de Bracht" habe es sich um eine Bockwindmühle gehandelt, der "keine besondere Bedeutung zukam" und die 1870 abbrannte.
Da der vermutliche Standort und Überreste der Mühle im Boden einer bald anstehenden Straßenverbreiterung zum Opfer fallen könnten, wandte ich mich mit der Bitte an unseren Gemeinderat, die genauen Standort zu lokalisieren und eventuelle Funde zu sichern. Darüber berichtete gestern eine lokale Wochenzeitung und jetzt gab es eine - wie ich finde - sensationelle Entwicklung! In einem Telefonat informierte man mich darüber, dass es an einem nicht öffentlich bekanntem Ort noch einen Mühlstein der "Moulin de Bracht" gäbe. Heute führte mich mein Informant an diese Stelle und dort fand sich tatsächlich ein halber Bodenstein, mit den Mahlrillen nach unten gekehrt als Trittstein der Treppe eines Hauses, das kurze Zeit nach Brand der "Moulin der Bracht" errichtet wurde. Zudem befindet sich der halbe Mühlstein so nah am ehemaligen Mühlenstandort, dass ich beides für stichhaltige Indizien dafür halte, dass es sich tatsächlich um einen Original-Stein handeln könnte. Der halbe Stein hat einen Durchmesser von etwa 1,60m, was ich für erstaunlich groß halte, denn erstens hatte ja der Müller der jüngeren Brachter Mühle gemeint, dass die alte Brachter Mühle nicht bedeutend gewesen sei und zweitens muss eine vermeintlich kleine Bockwindmühle einen passenden Läufer ja auch erstmal bewegen können.
Und jetzt... stellen sich mir einige Fragen, die ihr Mühlenexperten mir Mühlenlaien vielleicht beantworten könnt:
1. lässt sich aufgrund des Ausmaßes eines Bodensteins auf die erforderliche Kraft der Mühle und somit indirekt auf deren Größe schließen? Da ja aktuell quasi nichts bekannt ist, hilft mir hier _jede_ Information! Nachfolgend ein Foto vom halben Stein, dessen genauen Standort ich im Moment noch nicht bekannt geben darf.
2. auf die Schnelle habe ich heute versucht, etwas über die verwendeten Steinsorten von Mühlsteinen heraus zu finden. Obwohl keine Steinsorte dem hier gezeigten Stein optisch wirklich nahe kommt, vermute ich wegen der Fertigung aus einem Stück einen Sandstein. Dazu las ich, dass diese nur für's grobe Mahlen (Viehfutter usw.) verwendet wurden. Sollte ich daraus schließen, dass es sich bei der Moulin de Bracht um keine Weizenmühle gehandelt hat? Kann jemand etwas zu der Steinsorte sagen und daraus eventuell Schlüsse ziehen?
3. gibt es so etwas wie ein "Mühlenverzeichnis" von Preußen, der Preußischen Rheinprovinz oder des Niederrheins bezogen auf den Zeitraum vor 1870?
Hier noch der Kartenausschnitt aus der Tranchot-Karte, "M[oul]in de Bracht" etwa in der Bildmitte:
Hier noch abschließend der Link zu meinem Eintrag bei Facebook, wo auch meine Anregung ("Bürgerantrag") an den Gemeinderat und der besagte Zeitungsartikel zu finden sind:
also bei 1,60m handelt es sich wahrscheinlich um einen Schrotstein und auch das Material spricht dafür. Die Mühle wurde sicherlich in einem Verzeichnis geführt, der Müller mußte ja-wie immer- irgendwelche Steuern oder Abgaben entrichten, gerade die Preußen waren da sehr genau. Wo diese Aufzeichnungen sein sollen oder ob diese in Kriegen verloren worden sind? Um von der Größe eines Mahlsteines auf die Größe des Antriebes schätzen zu können? Ein Amerikanischer Mühleningenieur namens Oliver Evans hat dazu mal Formeln für Wassermühlen gemacht. Hab die mal an einer Wassermühle überprüft, mit unbefriedigenden Ergebnis. In alten Fachbüchern aus den 1930er Jahren, steht das ein Schrotstein etwa 8-11PS benötigt, je nach Material und wie intensiv die Steine zerkleinern. Ob die Mühle jetzt ein Mahlstein hatte oder zwei, die beide gleichzeitig liefen? In der Müllerei speziell historisch, gab es nichts was es nicht gab, es ist daher sehr schwer irgendwie von Mühlsteindurchmesser ausgehend genau zu sagen was das für eine Mühle war. Vielleicht hast du ja Glück und es taucht eine alte Fotografie/Zeichnung auf, gerade Windmühlen waren da schon immer beliebte Objekte, wenn diese auch unbedeutend waren.
Gruß aus der Klapsmühle! Paul
Andere haben so nutzlose Steinhaufen gebaut, die Pyramiden genannt werden, ich baue lieber Mühlen, die nützen wenigstens den Menschen.
vielen herzlichen Dank für deine Einschätzungen und Hinweise! Da ich ja nicht über Mühlen-Fachkenntnisse verfüge, geben mir deine Informationen sachdienliche Hinweise, in welche Richtung ich bevorzugt weiterdenken muss.
In der Tat lässt sich die abfällige Bemerkung des konkurrierenden Müllers über den Mangel an Bedeutsamkeit der "Moulin de Bracht" durchaus auch vergleichend verstehen. Die neue Brachter Mühle konnte Weizen mahlen, Hafer quetschen und auch sonst viele "moderne" Dinge - wenn die "Moulin de Bracht" vor allem Schrot mahlen konnte, war das dem Wortsinn nach tatsächlich nicht so bedeutend. Kommt hinzu dass der Müller der neuen Brachter Mühle muttersprachlicher Niederländer war und "belangrijk" sowohl "bedeutend" als auch "erstrangig" meint - im direkten Vergleich der beiden Mühlen kann man die "Moulin de Bracht" wahrscheinlich wirklich als "auf dem zweiten Rang" einschätzen.
Deinem Hinweis auf ein Bild/Foto oder Gemälde würde ich gerne nachgehen. Hier im Forum habe ich gesehen, dass alte Abbildungen zuweilen zugeordnet werden können. Da über das Aussehen der "Moulin de Bracht" aber lediglich bekannt ist, dass es sich um eine Bock-/Kastenwindmühle handelte, gilt meine Hoffnung dem in Reichweite erkennbaren Brachter Kirchturm, der genügend charakteristisch ist, um ihn auf einem Bild wieder erkennen zu können. Nachfolgend binde ich ein Bild der Brachter Kirche ein, dass aber spiegelverkehrt zu denken ist - die "Moulin de Bracht" befand sich vom Standort des Fotografen aus gesehen genau auf der gegenüberliegenden Seite des Ortes. Aber vielleicht erkennt ja jemand das unten abgeflachte Dach des Kirchturms auf einer historischen Abbildung wieder. Ich werde versuchen, alsbald ein Foto vom richtigen Standort nachzureichen.
Sorry, das ich Eure Illusionen zerstören muss - ich hab zwar gerade nen Problem mit der Grafikkarte und der "Mahlstein" ist bei mir rosa... aber es ist klar zu erkennen, dass der Stein ein eckiges Auge hatte. Dazu kommt die glatte Oberfläche, der glatte Umfang, die Fase an der Kante, fehlende Eisenreifen... ich halte das Teil für den Teil eines Kollergangs z.B. aus einer Ölmühle.
aus guten Gründen würde ich dir nie widersprechen, muss aber trotzdem nachfragen: Auf dem Bild ist die Dicke des halben Steins in etwa zu erkennen. Habe mir via Google-Bilder gerade Kollergänge angesehen - die Steine davon sich auffallend dicker. Wer weiß, wie der Stein seinerzeit an den Hauseingang kam, zumal der Standort dafür spricht, dass der Stein mit der "Moulin de Bracht" zu tun gehabt haben könnte. Aber Ölmühle? Das wäre ein ganz neuer Ansatz und dafür liegen mir keine Hinweise vor. Doch natürlich kann der Stein auch ganz woanders herkommen...
Dummerweise kann ich gerade keine vergleichbare Bockwindmühle (Tönisberg oder Museum Kommern) erreichen bzw. betreten.
Zitat von René Bongartz im Beitrag #1gibt es so etwas wie ein "Mühlenverzeichnis" von Preußen, der Preußischen Rheinprovinz oder des Niederrheins bezogen auf den Zeitraum vor 1870?
Meines Wissens nicht. Ich sage das so, weil ich nun schon seit 18 Jahren zur Geschichte der Straupitzer Mühle herumforsche, von der bis vor 5 Jahren nicht mal das genaue Baujahr bekannt war. Straupitz gehörte zur Erbauungsszeit der ersten Windmühle zu Sachsen und ist erst durch den Wiener Kongreß zu Preußen (Prov. Brandenburg) gekommen so wie das Rheinland auch. Auf unsere Anfrage beim sächsischen Staatsarchiv hin sollen mit der Gebietsübergabe wohl auch alle Archivunterlage an Preußen übergeben worden sein. Im brandenburgischen Landeshauptarchiv war aber zur Straupitzer Mühle auch nicht viel zu finden. Nicht mal zum Neubau im Jahre 1850 wegen der abgebrannten Vorgänger(bockwind)mühle, obwohl dieser Bau vom preußischen Polizeipräsidium der Prov. Brandenburg in Frankfurt(Oder) genehmigt werden musste.
Zumindest für Brandenburg - also Kernpreußen - haben wir ein solches Mühlenverzeichnis nicht finden können! Deshalb bezweifle ich, dass es so etwas für die Rheinprovinz gegeben haben könnte.
Brachte-Brüggen gehörte bis 1815 zu Frankreich, daher wohl auch die Bezeichnung "Moulin de Bracht". Das macht die Forschung wohl ebenso schwierig wie hier bei uns. Haben die Franzosen alle Archive und Unterlagen zu Brachte an Preußen übergeben? Keine Ahnung. Falls ja, sind dabei garantiert viele Sachen spurlos verschwunden ... so wie im Falle zu Straupitz.
Bei der Forschung zu Mühlen ist eine wichtige Besonderheit zu beachten: eine Mühle galt nicht als eigen- oder selbständig, vielmehr gehörte sie in aller Regel zum Eigentum eines Grundherren (Standesherrschaft oder Kloster). Die meisten Müller waren keine Mühleneigentümer, sondern Angestellte oder Pachtmüller (auf Zeit) oder Erbpachtmüller (über mehrere Generationen). Das hat sich erst mit Einführung der Gewerbefreiheit und Aufhebung des Mahlzwanges geändert, was in Preußen nur schrittweise zwischen ab 1810 bis etwa 1850 durchgesetzt wurde.
In den Archiven sucht man deshalb erfolgversprechender nach Dokumenten einer Standesherrschaft oder einem Kloster und stößt dann dabei - mit Fleiß, Geduld und Glück - auch auf Hinweise zu deren Mühle. Z.B. haben wir im brandenburgischen Landeshauptarchiv alte Steuerlisten von siebzehnhundertknock gefunden mit dem Entrag, dass der "Windtmüller" soundso viele Groschen zu bezahlen hätte. Oder eine polizeiliche Anzeige gegen den Windmüller, weil er angeblich einen Grenzstein vom Mühlenanwesen versetzt hätte. Auch haben wir einen Pachtvertrag zur Mühle gefunden und Hypothekeneinträge.
Doch wie gesagt, alles nicht unter dem Namen der Mühle und auch nicht unter dm Namen des Müllers (der uns bekannt war).
Welchem Grundherr/Feudalherr könnte die "Moulin de Bracht" gehört haben? Könntest Du alte Brachter Steuerlisten von vor 1850 durchforsten?
Dann gäbe es vermutlich gute Chancen, die Existenz der verschwundenen "Moulin de Bracht" nachzuweisen. Viel Glück!
auch von dir viel brauchbares "Futter". Vielen Dank dafür!
Das Ortsarchiv der ehemals selbständigen Gemeinde Bracht (ohne "e"!), die heute zu Brüggen gehört, ist ins Kreisarchiv ausgelagert und geht größtenteils bis ~1750 zurück. Auch im Rathaus hat es mal gebrannt. Aber dort könnte natürlich etwas zu finden sein. Muss gleich mal im Findbuch stöbern, denn das ist sogar online!
Mit dem Grundherren ist das so eine Sache... es gab in unserem Ort, der damals kaum 1.800 Seelen zählte gleich zwei Lehnsgüter. Deren Besitze sind nicht mehr rekonstruierbar. Landesherren waren vor Napoleon die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg. Bracht gehörte darin zum Amt Krickenbeck - auch da sieht die Sache mit alten Dokumenten nicht gut aus. Na ja, werde mal mein Glück versuchen.
Die neue Brachter Mühle von 1855 war übrigens eine privat erbaute und betriebe Mühle (Aufhebung des Mahlzwangs!), weshalb ich die Aussage über die Bedeutung der "Moulin de Bracht" immer auch ein wenig aus der Konkurrenzsituation zwischen den beiden "Firmen" sehe, die gerade mal rund 840 Meter in Luftlinie auseinander lagen.
Apropos "Moulin der Bracht"! Die Tranchot-Karte wurde, wie der Name schon sagt, zu napoleonischen Zeit vom Franzosen Jean Joseph Tranchot erstellt - und zwar für die französischen Militärbehörden. Daher ist es kein Wunder, dass der Herr Franzose neben den oft nach Lautung geschriebenen Ortsnamen ("ü" wird fast immer "u" geschrieben) gerne auch mal französische Begriffe (Moulin) verwandte. Zur Tranchot-Karte siehe http://www.tim-online.nrw.de/ dort unter "Historische Karten".
Zitat von René Bongartz im Beitrag #9Das Ortsarchiv der ehemals selbständigen Gemeinde Bracht (ohne "e"!), die heute zu Brüggen gehört, ist ins Kreisarchiv ausgelagert.
Ich meine, dass in der Feudalzeit viele Dinge vom Landesherren zu genehmigen waren, z.B. der Bau von Mühlen. Die Unterlagen dazu können auch ganz wo anders archiviert sein als im Orts- oder Kreisarchiv. Gibts in NRW ein Landesarchiv wie in Bbg? Wir haben auch ein Kreisarchiv, aber da werden vorwiegend nur Zeitungen gesammelt. War für uns aber auch eine Fundgrube ... wegen der Meldung im "Kreisanzeiger" von 1850 zum Brand der Bockwindmühle.
Zitat von René Bongartz im Beitrag #9es gab in unserem Ort, der damals kaum 1.800 Seelen zählte gleich zwei Lehnsgüter. Deren Besitze sind nicht mehr rekonstruierbar. Landesherren waren vor Napoleon die Herzöge von Jülich-Kleve-Berg. Bracht gehörte darin zum Amt Krickenbeck - auch da sieht die Sache mit alten Dokumenten nicht gut aus.
Ich gehe davon aus, dass die "Moulin der Bracht" lange vor Napoleon erbaut wurde, vermutlich also Eigentum der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg gewesen sein könnte. Da gibt es in den Archiven bestimmt etwas dazu, aber es ist eine wahnsinnige Geduld- und Fleißarbeit, sich da durch zu wühlen. Wir haben es hinter uns.
Ich wollte es im ersten Posting schon sagen, hatte es aber vergessen:
Ich finde Dein uneigennütziges, freiwilliges Engagement in dieser Sache äußerst bemerkenswert und ganz toll, zumal Du auch gar nichts mit Mühlen und Müllerei zu tun hast oder familiär vorbelastet wärst (z.B. durch Vorfahren)! Das ist mal ein Beispiel für echte Denkmalerforschung und -pflege, auch wenn es nur noch marginale Spuren des Denkmals gibt, um deren Aufklärung du Dich nun bemühst, um es vor dem endgültigen Vergessen zu bewahren.
An den noch existierenden Mühlen ist mitunter leider das Gegenteil zu beobachten: da wird oftmals mehr zerstört, vernichtet oder verunstaltet anstatt zu erhalten. Nicht aus böser Absicht, sondern aus Unkenntnis, Sorglosigkeit, bewusster Ignoranz und auch Überforderung im Umgang mit dem historischen Erbe.
... danke ... kürzlich fragte mich mal jemand, warum ich mich so für Bracht interessieren, zumal ich gar nicht gebürtig von hier bin. Na ja... mir ist es ein Rätsel, wie man sich nicht für den Ort interessieren kann, in dem man wohnt. Und damit muss aber auch gut sein. An die Arbeit!
Habe zwischenzeitlich zwei Steuerlisten aus 1559 bzw. 1578 durchgelesen. Darin wird kein Müller genannt.
Zuerstmal eine "technische" Nachfrage... Du schreibst, dass Dir der Stein relativ dünn vorkommt - OK, mag sein, vielleicht wurde er ja nicht nur in der einen Dimension halbiert, sondern auch in der anderen bzw. hat sich bei dem Brand selbst halbiert. Ich hab mal einen solchen halbierten Stein aus einem Material ähnlich Schiefer gesehen (also ein in Schichten aufgebautes Sedimentgestein), der angeblich im Betrieb in zwei Scheiben zerplatzt ist. Frage: wie dick ist er denn noch? Gibt es eine Möglichkeit, das gute Stück zu heben und umzudrehen? Das könnte Vieles klären.
Mit den Archiven hast Du das ganz große Problem, dass Du ja ncht einmal weißt, ob es sich überhaupt um eine Mühle im Sinne von Mühle gehandelt hat. Kollergänge gab es in 'zig Handwerkssparten: Ölmüllerei, Gewürzmüllerei, Pigmentmühlen zur Farbherstellung, Papiermühlen, Senfmühlen ... allesamt ggf. nicht dem Mahlzwang unterliegend und bei Betriebsgründung nach der Gewerbefreiheit extrem schwer rückzuverfolgen.
Wie kommt hier eigentlich die Bauform Bockwindmühle ins Gespräch? Gibt es einen Hinweis darauf? Falls ja, wäre m.E. die einzige mögliche Erklärung, dass es sich um eine sog. "Torenkotmolen" gehandelt hat - also ein Bock mit längs durchbohrtem Hausbaum, durch den eine stehende Welle hindurch geht und unten im runden unterbau z.B. eine Ölmühle mit Kollergang antreibt. Bock mit Kollergang oben im Kasten halte ich für gänzlich ausgeschlossen, auch wenn es Gerüchte gibt, dass im niedersächsischen Sölde eine Bock-Kreidemühle dieser Bauart gegeben haben soll. Falls das so war, vermute ich ein "Kollergängchen", u.U. sogar mit Kollern aus Holz statt aus Stein.
Zuguterletzt noch einer der wichtigsten Hinweise: so wie jeder andere auch, darfst auch Du mir gan selbstverständlich widersprchen. Ich bin nicht der Papst und damit auch nicht unfehlbar. Im Gegenteil, ich freue mich über Jeden, der vernünftig diskutiert und Argumente austauscht bzw. sich nen Kopp macht und Ideen äußert!!
Es gibt einen neuen Hinweis! 1804 klagte ein Müller aus dem benachbarten Kaldenkirchen u.a. darüber, dass ihm zwei neue Mühlen "in der nähe" das Wirtschaften schwer machten. Dabei wird es sich zum einen um den 1801 neu errichteten Turmholländer in Schaag gehandelt haben. Entfernung zum klagenden Müller: 3.200m http://www.nettetal.de/C125758C0039DE86/...DD002A88C0?Open
Der Standort der "Moulin der Bracht" befindet sich 3.700m entfernt und ihre bislang erste Erwähnung ist die zwischen 1801 und 1814 erstellte Tranchot-Karte
Bevor ich hier Weiteres über die Stärke des halben Stein schreibe, will ich ihn möglichst schon morgen nochmals genau vermessen.
Die Information, es sei eine "Kastenwindmühle" gewesen stammt aus der Befragung des Müllers, der der "Moulin de Bracht" mangelnde Bedeutung zusprach. Übrigens hatte dieser die "Moulin de Bracht" wohl nicht mehr selbst gesehen. Er arbeitete erstmal in den 1890er Jahren an der neuen Brachter Mühle, um diese dann 1903 zu kaufen.
hat möglicherwahrscheins nichts mit der "Moulin de Bracht" zu tun, aber ziemlich genau 10km in Luftlinie entfernt von der "Moulin de Bracht", steht die Dülkener "Narrenmühle", so erbaut 1809. Auch wenn auf der niederländischen Wikipedia-Seite zu Torenkotmoelen ("Turmkottenmühlen") steht, dass dieser Mühlentyp lediglich in Belgien und nicht in den Niederlanden nachgewiesen sei http://nl.wikipedia.org/wiki/Torenkot was sagt denn das geübte Auge? Ich seh da einen Turm, einen Kotten und eine Mühle: http://de.wikipedia.org/wiki/Narrenm%C3%BChle
...und wenn 10km von der Moulin de Bracht eine Turmkottenmühle stand ...
Die Vorgängerin der Narrenmühle (früher Holtz'sche Mühle) stand vor einem anderen Stadttor der Stadt Dülken, hatte aber ebenfalls schon eine Einfassung des Bocks - nur war diese Einfassung aus Holz. Und man rate mal, was passierte, nachdem die Vorgänger-Mühle bereits durch einen Orkan schwer beschädigt war?! Sie brannte ab hatten die damals eigentlich keine Blitzableiter oder hatten sie besonders zahlungswillige Versicherungen?
Die Dülkener "Narrenmühle" ist bzw. war ein ganz normaler Bock, dem man den Bock ummauert hat, um dort Lagerfläche, Versammlungsraum oder Ähnliches zu schaffen. Im Gegensatz zur belgischen "Torenkotmolen" (ich wusste gar nicht, dass es für diesen Typ einen deutschen Namen gibt!) gibt's in diesem Raum keine Maschinen, da die Kraftübertragung aus dem Kasten mangels durchbohrtem oder sonstwie hohlem Hausbaum fehlt. Die Kreuzschwellen des Bocks ruhen m.E. dort auch nicht auf dem gemauerten Ring, sondern haben eigene Fundamente. Der Backsteinrung hat außer für das Dach keine statische Funktion.
Bockumbauten gemauert oder als Bretterkonstruktion, rund oder achteckig waren übrigens sehr weit verbreitet. Lagerraum im Kasten war knapp und etwas mehr Raum deswegen oft sehr willkommen, Zuweilen wurde dort auch ein stationärer Dieslmotor aufgestellt (siehe die kürzlich Abgebrannte in Liebenburg Kr. Goslar), der dann per Flachriemen nach oben die Müllereitechnik im Kasten antrieb.
Zu dem von Dir zitierten Wort "Kastenmühle": Es könnte sich rein theoretisch auch um eine Form von Kokermühle gehandelt haben, die von der mündlichen Quelle so bezeichnet wurde. Vereinzelt war dieser Typ ja (siehe z.B. Walbeck) für andere Dinge als die Wasserschöpferei im Einsatz. In sofern wäre eine archäologische Untersuchung des Standorts schon ohnenswert, ggf. findet sich dort noch eine Besonderheit!
zunächst und vielleicht für alle Mitleser interessant: War vorhin am halben Stein und habe gemessen: Durchmesser des Gesamtsteins: 162cm c² des Auges: 21cm >>> a²=15 + b²=15 Die Stärke des Steins konnte ich NICHT feststellen, da er deutlich ins Erdreich hinein ragt. Es sieht bei oberflächlicher Betrachtung so aus, als ob der Stein nur aufliegt.
@Flo: Meine Frau meinte vorhin schon "du wirst jetzt richtig zum Mühlenexperten". hatt ich irgendwie gar nicht vor Torkotenmoelen hab ich einfach nur ins Deutsche übersetzt. Wobei das eigentlich Quatsch ist, denn hier haben die Menschen früher "Limburgs" gesprochen, also einen altertümlichen Mischmasch aus Niederländisch und Plattdeutsch. tor = Turm koten = Kotten moelen = Mühle Torkotenoelen = Turmkottenmühle
OK, ich bleibe im Ergebnis bei "Kollergang" - womit zumindest der Einstz in einer Getreidemühle ausscheidet. Was aber natürlich nicht heißt, dass der Herkunftsbetrieb nicht auch Windkraft zum Antrieb einer Getreidemühle genutzt haben könnte. Solche Kombinationen gab und gibt es ja immer wieder...
Echt schlimm, das ist jettz ganze vier Wochen her, dass ich zuletzt da war und trotzdem fällt mir der Name der Kneipen- und Hotelmühle nicht mehr ein. War das nicht Alzheim???
Zitat Wikipedia sagt, Mühlrad, Mahlwerk und Kollergang seien funktionstüchtig
Na klar... auf jeden Fall. Bei dem Zustand würde ich so weit gehen, sogar die Funktionsfähigkeit anzuzweifeln, sogar die Leerlauffähigkeit stelle ich - abgesehen für das Wasserrad und die Welle - absolut in Frage.
Der Ölmühle fehlt die eigentliche Prese (Keilpresse, auf dem einen Bild sieht man noch die ehem. Nockenwelle, heute ohne Nocken oder Daumen) und auch der Röstofen. Mit Antriebssttrang erhalten ist eigentlich nur der für sich vollkommen funktionslose Kollergang. Der Schrotgang für's Getreide ist zwar da, allerdings wurde das Gebäude so weit entkernt, dass da oben kein Boden mehr drin ist und das Aufschütten auf der 4 m langen Leiter hoch oben im Gebälk auch keine reine Freude ist...
Das Ganze ist etwa so funktionsfähig wie ein Auto, das über einen Motor mit Kolbenfresser, ein Getriebe ohne Öl und eine abgelatschte Kupplung verfügt, dem aber die Reifen, das Lenkrad und der Fahrersitz fehlen.
Schade um die schöne Mühle - man hätte sicherlich auch den Technikbereich so abtrennen können, dass er museal oder sogar müllerisch genutzt werden kann. Der Gastronomie hätte das nicht nur keinen Abbruch getan, sondern hätte sogar als zusätzliche Attraktion Besucher anziehen können, die ihren Weg da sonst nicht hin finden...
Klar, ich hab wieder was zu nörgeln. Schade eigentlich .