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Mühlen- und Müllerforum "Glück zu!"

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 Leitlinien/Grundsätze zur Mühlenerhaltung und -betreibung
Askop
Administrator


Beiträge: 610

17.11.2009 16:05
#1 Prof. Dr. L. Schmidt: Historische Mühlen im Verständnis der Denkmalpflege Zitat · Antworten

Maschine, Denkmal, Landmarke
Historische Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung

Tagung der BTU Cottbus, 26./27. Oktober 2001



Autor: Dekan Prof. Dr. Leo Schmidt, Lehrstuhl für Denkmalpflege an der BTU Cottbus

(Bau-) Denkmale, Maschinen, Landmarke - diese drei Komponenten und ihr jeweiliger Rang prägen das Konfliktfeld, in dem historische Mühlen häufig stehen. Es gibt das Bauwerk, die architektonische Behausung; es gibt die Technik, die umhauste Maschinerie; und es gibt das räumliche, landschaftliche Umfeld der Mühlenanlage.

Die Gewissensfrage lautet: Welche dieser Komponenten sieht man als das Eigentliche, als das Wesentliche einer Mühle an? Denn an dieser Frage scheiden sich oft die Geister. Mühlenbetreiber, Natur- und Landschaftsschützer, Denkmalpfleger - sie bewerten diese drei Komponenten unterschiedlich, haben verschiedene Priroritäten in ihrer Sicht auf denselben Gegenstand.

So geht der Betreiber einer Mühle von der naheliegenden Frage aus: Wofür sind Mühlen da? Sie mögen von unterschiedlichen Energieformen angetrieben werden, unterschiedliche Formen aufweisen und unterschiedliche Endprodukte erzeugen, aber letztlich handelt es sich immer um Maschinen, die laufen sollen, die eine Funktion auszuüben haben; sie sind Produktionsmittel, bieten die materielle und funktionale Grundlage eines Produktionsprozesses.
Aus dieser Sehweise ergeben sich klare Konsequenzen: Eine solche Maschine muss im Sinne des Arbeitsprozesses, dem sie dient, gewartet werden. Dazu gehört zumindest auch der Austausch und die Erneuerung von Komponenten. Oft muss die Maschinerie aber auch an neue Anforderungen angepasst, weiterentwickelt werden.
Das Aussehen der baulichen Hülle, die Behausung der Maschine, ist aus dieser Sicht sekundär. Das landschaftliche Umfeld ist nur soweit wichtig, wie es zur Funktion der Mühle gehört - insofern, als gegebenenfalls die Wind- oder Wasserversorgung der Maschinerie gesichert sein muss.

Ganz anders dagegen die Herangehensweise mancher Natur- und Landschaftsschützer. Für sie ist eine Mühle im Extremfall nur ein - vorübergehender - Eingriff in die ökologische Balance der Landschaft. Insbesondere bei Mühlen, die mit Wasserkraft betrieben werden, ist ja eine manchmal recht weiträumige Organisation der Wasserzufuhr erforderlich, die mit Anliegen des Naturschutzes kollidieren kann. Gleichzeitig ist eine Mühle anerkanntermaßen nicht selten auch ein optischer Gewinn für die Landschaft, als oft weithin sichtbare Landmarke und Akzent einer topographischen Situation.

Im heutigen Verständnis der Denkmalpflege können alle die genannten Aspekte zusammenkommen und den spezifischen Denkmalwert einer Anlage ausmachen. Allzulange allerdings neigten Denkmalpfleger dazu, nur das Bauwerk, die architektonische Hülle einer historischen Mühle als Denkmal zu betrachten; die Technik, die Maschinerie, galt häufig als verzichtbar und wurde dann oft zugunsten einer Umnutzung, die das Bauwerk bewahren half, preisgegeben.

Aber gerade auch bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, in der die technische Ausrüstung einer Mühle ihren Stellenwert hat, haben Denkmalpfleger nicht selten Probleme mit den Besonderheiten, die eine Mühle mit sich bringt. Die Denkmalpflege hat den Auftrag, materielle historische Quellen zu bewahren; die authentische Substanz als wurde sie auf Informationsträger steht daher im Mittelpunkt des Interesses. Alle Grundlagen des Faches - etwa die Charta von Venedig und die Charta von Burra - betonen die Prirorität der historischen Substanz, die es zu erhalten gilt; alle Instinkte der Denkmalpfleger sind in dieser Richtung trainiert. Bei der Analyse und Bewertung einer Mühle wird dem Denkmalpfleger deshalb auch immer - genau wie bei allen anderen Denkmalen - daran gelegen sein, zunächst einmal Bauphasen zu ermitteln und den Bestand chronologisch zu ordnen, um die Geschichte des Objektes in seiner Entwicklung und in seiner Aussagekraft für verschiedene Zeitebenen zu begreifen. Dieser Ansatz stößt bei Mühlen nicht selten an methodische Grenzen, weil Mühlen in viel stärkerem Maße als die meisten anderen Denkmalgattungen verändert, weiterentwickelt und angepasst wurden, um möglichst optimal dem jeweils aktuellen Bedarf zu entsprechen.

Ein Objekt wie die Sielower Mühle illustriert dies: Sie wurde als Windmühle Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet, aber schon bald nach 1900 wurde sie auf Maschinenkraft umgerüstet. Ein in einem Anbau untergebrachter Generator trieb nun eine weitgehend erneuerte und völlig anders angeordnete Maschinerie an. Dieser Generator und ein Großteil der Maschinen wurde in den 1930er Jahren abgelöst; ein Elektromotor liefert nun den Antrieb. Der Versuch, die vorhandene, gut erhaltene Technik verschiedenen Hauptphasen zuzuordnen, scheitert im Detail daran, dass die Maschinerie vom Müller selbst kontinuierlich Jahr für Jahr, umgebaut und angepasst worden ist. Stetige Veränderung und Anpassung gehören also gleichsam zum Charakter einer historischen Mühle; Stillstand im Sinne strenger Substanzbewahrung widerspricht also geradezu diesem Charakter.

Es liegt also auf der Hand, dass - zwischen Denkmalpflegern einerseits und Mühlenvereinen andererseits - Unterschiede in der Bewertung von Mühlenkomplexen vorprogrammiert sind, vor allem aber Unterschiede in der Vorstellung, wie adäquater Umgang mit historischen Mühlen aussieht. Was hat Prirorität, die Erhaltung der bestehenden Substanz oder die Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Betriebs, für die gegebenenfalls auch Teile des Bestandes ersetzt und erneuert werden müssen?

Die Antwort muss lauten, dass es - wie so oft in der Denkmalpflege - nicht nur eine einzige „richtige“ Herangehensweise gibt. Die einem spezifischen Objekt angemessene Umgangsweise ergibt sich aus der Analyse und dem Verständnis seiner individuellen Werte. In einem Fall mag es richtig und angemessen sein, eine Mühle bis zur Teilrekonstruktion früherer Zustände zu verändern, um sie wieder in Betrieb zu nehmen; in einem anderen Fall mag die bestehende, wenn auch mürbe und fragmentarische Substanz so eindrucksvoll sein, dass man sie am besten so erhält, wie sie ist und auf Austausch und Ersatz verzichtet.

Durch die Vielfalt der Objekte ergibt sich schließlich ein lebendiges und aussagekräftiges Gesamtbild, auch in der besonders bunten Welt der historischen Mühlen.

Glück zu!

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