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Kann es sein, dass eine Wind- oder Wassermühle (Mahlmühle) in Mitte 19. Jahrh. typischerweise recht primitiv eingerichtet war und über nicht viel mehr Müllereitechnik verfügte, was heutzutage mitunter als "Mindener Standard" bezeichnet wird? Maschinen für Schwarz- und Weißreinigung, Passagensichterei (keine Beutelei!) und Mischerei gibts doch wohl erst seit dem Aufkommen der Mühlen(bau)industrie?
Und kann es sein, dass manche Mühlen gar nicht modernisiert wurden und im primitiven Urzustand bis zu deren Ende (Stilllegung) gearbeitet haben?
Diese Fragen habe ich mir vorige Woche nach meinem Besuch der Oberahmer Peldemühle in Neustadtgödens gestellt. Die Mühle verfügt lediglich über je einen Mahl- und Pellgang und wurde irgendwann mit einer primitiven Schwarzreinigung nachgerüstet: eine an die Decke genagelte Bauernwindfege mit nachgeschaltetem Trieur - seltsamerweise einen Boden unter dem Mahlgang. Dietmar Weiß (danke für die geopferte Zeit und Sonderführung) hat mir recht plausibel erklärt, dass sich keinerlei Hinweise, Anzeichen oder Spuren von weiterer Technik gefunden haben.
Wenn das so ist, ist dann der geschmähte "Mindener Standard" vielleicht doch nicht gar so mühlenuntypisch?
Na klar, es gab etliche Betriebe, die wirklich so "primtiv" eingerichtet waren und so den Betrieb bis weit ins 20. Jahrhundert heinein durch gezogen haben. Nimm mal die heute als FOLINE bezeichnete Holländerin aus Poghausen. Die wurde gar erst im 20. Jahrhunder erbaut und war trotzdem nie mehr als Schrotmühle. Erst die museale Bearbeitung in Berlin hat aus ihr eine "Feinmühle" gemacht.
Meine Verbalattacken gegen den sog. "Mindener Standard" zielen auch nur auf diejenigen Objekte ab, die unter Vernichtung von höherwertiger Technik auf so einen u.U. früher auch so nie dagewesenen Zustand rückgebaut wurden. Prominentes Beispiel: Die Groß Lobker Bockmühle im Detmolder Freilichtmuseum. So, wie sie heute dasteht, hätte das den Erbauern die Tränen in die Augen getrieben... den späteren Betreibern, die die Technik bis an die Zähne weiter aufgerüstet hatten, wohl erst recht... Liest man das tolle blaue "Witzbuch", das als Doku zur Umsetzung und "Restaurierung" verfasst wurde, soll das, was da jetzt steht, irgendwas mit mittelalterlicher Technik zu tun haben. Wohlgemerkt mit einem Askaniasichter, der 1903 zum ersten Mal in einer Mühle eingesetzt wurde.
Es ist diese willkürliche Verwurstung ohne jede ernsthafte technikhistorische Betrachtung, gegen die ich mich richte. Insbesondere, wenn es sich nicht um Bastelkram von Hobbymüllern handelt, sondern um vorgeblich museumspädagogische Arbeit oder Denkmalpflege mit wissenschaftlichem Anspruch.
Kommt vielleicht auch ein bisschen auf die Umgebung an. Mühlen in Städten werden wohl eher aufgerüstet haben als die Mühle bei den Bauern. Da ich mich gerade etwas mit Oliver Evans befasse, (erste autom.Mühle 1785 Pittsburgh/USA) habe ich für mich eine Liste mit den ungefähren Erfindungszeitraum der gängigen Maschinen erstellt:
Oliver Evans setzte ein: -Elevator -Seschskanter -Schnecken -Reinigungssieb
Später kamen:
Walzenstuhl um 1870 von Wegmann Budapest Zentrifugalsichter 1880 Hamburg Naegel+Kaemp Plansichter 1888 Haggenmacher Budapest Trieur um 1840 Vachon in Paris Grießputzmaschine um 1810 Ignatz Paur Wien Aspirateur um 1890 Fa.Luther Braunschweig (Windfegen gabs schon 50 Jahre früher)
Ein Mühlendiagramm an sich wurde von Buchholz 1870er als erstes gezeichnet.
Florian hat schon recht der Rückbau auf Ursprungsform ist ein Unding, aber man darf glaube ich nie vergessen, das die Müller mit den Mühlen Geld verdient haben, das heißt Kundenorientierung. Will der Kunde Weißmehl-dann Sichter und Reinigung Will der Kunde Backschrot-dann investiere ich lieber in einen neuen Schweinestall und/oder gönn der lieben Frau was...
Gruß aus der Klapsmühle! Paul
Andere haben so nutzlose Steinhaufen gebaut, die Pyramiden genannt werden, ich baue lieber Mühlen, die nützen wenigstens den Menschen.