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Dieses Thema hat 0 Antworten
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 Müllerei & Mühlentechnik
Askop
Administrator


Beiträge: 610

30.04.2012 20:04
Schöner Bericht über eine 20t-Handwerksmühle in Renningen Zitat · Antworten

Zitat von Stuttgarter Zeitung
Am Herzschlag der Mühle
Lars Harnisch, vom 30.04.2012


Hell oder dunkel? Welcher Mehltyp am Ende herauskommt, bestimmt Thomas Schädle an dem Sammelkasten.
Foto: Lars Harnisch



Renningen - Die Mühle klappert nicht, aber sie rumpelt, sie brummt, sie rauscht und sie pfeift. Im Erdgeschoss rotieren Räder in vier rotlackierten Metallkästen, der Lastenaufzug fährt nach oben, das Telefon klingelt und hinten tackert jemand Mehltüten zu. Müllermeister Thomas Schädle lauscht ins Geräuschchaos: „Alles in Ordnung, das hört man.“

Er beugt sich über einen der roten Kästen. Diese Walzenstühle sind die Mühlsteine von heute. Sie mahlen das Korn zu feinstem Mehl, mehr als 20 Tonnen am Tag. Aber das dauert, denn dafür muss es erst mehrmals durch die ganze Mühle, und die ist 20 Meter hoch. Ein sehr durchdachter Bau. August Sessler, der Großvater des heutigen Inhabers Martin Sessler, hat sie 1938 gekauft und 1950 komplett neu gebaut. Sie funktioniert heute noch nach dem gleichen Prinzip wie vor gut 60 Jahren.

Die Renninger Mühle arbeitet auf vier Ebenen und macht sich dabei geschickt die Schwerkraft zunutze. Korn und Schrot werden ins Dachgeschoss gesaugt. Von dort fallen sie durch Siebe und Reiniger. Das gute Mehl wird eingesammelt, der Rest erneut gemahlen ¬ bis schließlich kein Mehl mehr im Korn ist.

Die durchorganisierte Struktur zeigt sich schon am Start. Die Zelle für den Weizenvorrat endet über dem ersten Walzenstuhl. Schädle öffnet eine Klappe. Zu Tausenden rauschen die Weizenkörner an ihm vorbei, während die Walze erwartungsfroh die Zähne bleckt. Mahlen ist kein bloßes Zertrümmern des Korns. Die Walzen sind so geformt, dass sie die Körner eher schälen und zerpflücken. Ein Korn besteht aus Schale, Keimling und Mehlkörper – der Walzenstuhl will das Mehl. Das Resultat nach dem ersten Gang ist jedoch eher enttäuschend, es ähnelt mehr Haferflocken als Mehl und wird Schrot genannt. Zwischen den Schalenresten aber leuchtet es bereits weiß – das erste Mehl. „Das wird oben ausgesiebt, die Reste von Schale und Korn werden im nächsten Walzenstuhl feiner gemahlen“, sagt der Müllermeister. Mahlen, sieben, mahlen, sieben. 15 Mal geht das so, dann hat sich die Mühle das ganze Mehl aus dem Korn geholt und ausgespuckt, was sie nicht mag.

Zuerst muss das Korn durch die Reinigungsstraße

Vier Rohre blasen den Schrot zum Sieben ins staubige Obergeschoss. „Hier hat man manchmal einen Frosch in Hals“, sagt der 42-jährige Schädle. Die Sonne malt Kringel auf den Holzboden, in der Luft schweben feine Partikel, Gebläse lärmen. Unter dicken Rohren stehen Säcke, die eine Wolke nach der anderen schlucken, alle paar Sekunden sieht man kleine Staubexplosionen in den transparenten Säcken. Das Korn wird im Sommer in der Mühle eingelagert, samt Anhaftungen, Steinchen, Unkraut und Strohresten. Bevor das Getreide überhaupt die erste Mahlwalze sieht, ist es bereits ein Mal die Mühle hoch- und runtergerauscht. Im Reinigungsgang. Auch der beginnt im Dachgeschoss. Beim Fallen bläst ein Lüfter zuerst die leichten Bestandteile wie Staub und Strohreste aus. Der Ausputz landet in den Säcken. Weiter unten fallen zerbrochene Körner oder Steinchen raus. Später wird das Korn noch gebürstet. Erst wenn es die Putzstraße passiert hat und richtig sauber ist, darf es in den ersten Walzenstuhl.

Dessen Zuflussrohre laufen in einen Holzkasten, der in gleichförmigen, kreisenden Bewegungen hin- und herschwankt: der schrankwandgroße Plansichter. Sein hallendes Geräusch bildet so etwas wie den Herzschlag der Mühle. In seinem Inneren sortieren 1400 Siebe streng die Bestandteile des Korns. Das fertige Mehl wird ausgesiebt, die groben Bestandteile wie Schale und Grieß werden wieder nach unten geschickt. Der Plansichter ist das Gerät mit der höchsten Beanspruchung in der Mühle, denn zum Sieben muss sich der schwere Kasten bewegen. „Kein Metall würde diesen Kräften standhalten“, sagt der Müllermeister. So ist der Sichter an biegsamen Bambusstäben aufgehängt. Für das pulsschlagähnliche Geräusch sorgt ein schwerer, unregelmäßig geformter Metallklotz. Dieser sogenannte Exzenter dreht sich wie ein Rührwerk in einer Aussparung unter dem Sichter. Dabei wird der Holzkasten allein durch den Luftstrom bewegt.

Mehl ist nicht gleich Mehl

Unten führen 50 Rohre wieder heraus. Thomas Schädle kniet sich vor den Sichter und öffnet eine Klappe. Unser Schrot hat ein Großteil seines Mehl verloren, nun geht es in die nächste Mahlrunde. Auf dem Weg nach unten nimmt Schädle gleich noch einen Sack Staub mit, wuchtet ihn auf die Karre und schiebt sie zum Lastenaufzug. Trotz aller Technik ist Müller ein körperlich anspruchsvoller Beruf. Schädle hat dafür seine Laufbahn bei der Post aufgegeben. „Früher war ich Briefträger, wegen der Bewegung und der frischen Luft. Als ich an den Schalter sollte, habe ich mich nach was anderem umgeschaut“, sagt er. Frische Luft kriegt er in der Mühle zwar nicht unbedingt. Aber Schädle liebt die Vielseitigkeit des Berufs.

„Man muss etwas von Getreide verstehen, sollte Laborerfahrung haben und auch mal was reparieren können“, sagt er. Mehl sei nicht gleich Mehl. „Es gibt Mehl, das macht den Teig luftig und leicht, ein anderes macht ihn fest und flach. Es ist die Kunst des Müllers, die Sorten richtig zu mischen.“ Wenn die Mahlmischung alle 200 Tonnen neu angesetzt wird, müssen die Backeigenschaften unverändert bleiben. Denn sonst kommt der Bäcker später ins Trudeln.

Die Mischung legt der Müllermeister im Steuerraum fest. Ein graugrüner Schaltkasten mit vielen Lampen stellt die Mühle dar. Schwarze Linien stehen für die 28 Lager- und Vorratszellen. An den meisten klebt ein Magnet: gelb für Weizen, rot für Gerste. Handgeschriebene Zettel listen Eiweißgehalt und Getreidesorte auf. Alle Zellen sind über ein Leitungssystem mit Klappen verbunden. Über sie bestimmt Schädle den Weg des Getreides. Lämpchen zeigen den freien Weg – „wie die Signale auf dem Bahnhof.“ Mit unterschiedlichen Weizensorten aus mehreren Zellen kreiert Schädle die Mischung, eine Probe geht ins Labor. „Das Mehl backt gut“, ist das höchste Lob der Gutachter. Soweit die Theorie.

Das Mehl der ersten Durchgänge ist reinweiß

Die Praxis ist komplizierter. Im ersten Stock krakeln unzählige Alurohre von oben durch den Raum, einige führen ins Erdgeschoss zu den Walzenstühlen, die meisten enden in einem langen Holzkasten. „Hier wird das Mehl gemacht“, sagt Schädle. Er zieht einen Spatel aus der Tasche und öffnet eine Klappe. Cremefarben liegt das Mehl auf dem polierten Spatel. Nach all dem Mahlen und Sieben ist es staubfein. Schädle ist zufrieden. Damit kann der Bäcker Brot und Kuchen backen. Tatsächlich ist es die Sorte, mit der die Bäcker fast alles machen: Weizenmehl Typ 550. Hausfrauen nehmen für ihre Kuchen das hellere Mehl vom Typ 405. Welcher Typ herauskommt, bestimmt Schädle an diesem Mehlsammelkasten.

In der Mitte des Korns sitzen die hellen Bestandteile des Mehlkörpers, außen die mineralstoffreichen und etwas dunkleren. Das Mehl der ersten Durchgänge ist reinweiß, mit den späteren Mahlgängen wird es dunkler. Typ 405 besteht fast nur aus den inneren Bestandteilen, für Typ 550 mischt Schädle mehr mineralstoffreiche Elemente zu. Noch dunkler ist das Brotmehl 1050. Beim Vollkornmehl werden die ausgesiebten und gemahlenen Bestandteile von Schale und Keimling wieder beigemengt, es wird also das volle Korn gemahlen.

Von dem Sammelkasten stäubt das Mehl in ein riesiges Holzsilo, eine gewaltige Schnecke mischt es immer wieder durch. Nach knapp zwei Stunden ist das Silo voll. Im Erdgeschoss füllt eine Mitarbeiterin jeweils Fünf-Kilogramm-Tüten für den Verkauf ab. Auch beim Verpacken macht sich die Mühle die Schwerkraft zunutze. Für die Bäcker gibt es Verladesilos, von dort rauscht das Mehl tonnenweise in den Laster, in wenigen Minuten ist er beladen. So sind die Prozesse bis zum Schluss durchorganisiert. Eine kleine Erinnerung an die gute alte Zeit der klappernden Mühle gibt es doch: Vor dem Mühlenladen dreht sich unermüdlich ein nachgebautes Wasserrad – in einem Holztrog. Der Bach ist längst verlegt.

Quelle: www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.die-ma...4498db3bb0.html

Eigentlich ein guter und fachlich korrekter Bericht. Nur die Geschichte mit dem Plansichterkasten, der angeblich "allein durch den Luftstrom bewegt" wird, ist eine Erfindung des Journalisten.

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