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Mühlen- und Müllerforum "Glück zu!"

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 Zur Geschichte der "Dreifach(wind)mühle"
Klaus Rudolph
Administrator


Beiträge: 47

05.12.2016 20:08
Werner Robel: Meine Erinnerungen an die Straupitzer Mühle und meinen Onkel Johannes Nitschke, Mülhlenbesitzer Zitat · Antworten

Nachstehenden Text schickte mir Werner Robel per Post; das Original befindet sich im Archiv des Straupitzer Mühlenvereins.

Meine Erinnerungen an die Straupitzer Mühle

„Schreiben Sie mal, was Sie aus ihrer Jugend in Verbindung mit der Mühle so wissen“. Nach dieser Aufforderung von Herrn Rudolph, dem jetzigen Mühlenchef seit 1994, bei einem Besuch im vergangenen Jahr, muss ich als nunmehr Achtzigjähriger mein Altgedächtnis aktivieren und meine Erinnerungen an und um die Mühle und deren Menschen hervor kramen.

Als Berliner Großstadtkind verlebte ich viele Kindertage und später die Ferien auf dem Hof meiner Großeltern in Straupitz. Die Schwester meiner Mutter, meine Tante Marie, beide geborene Winzer, war mit dem Mühlenmeister Johannes Nitschke verheiratet, und wenn wir in Straupitz waren, besuchten sich die Schwestern gegenseitig.

Und so geschah es bei einem österlichen Besuch, dass auf dem großen Holzlagerplatz, wo heute die Besucher ihren Imbiss verzehren, für uns Kinder, meinem Cousin Hans, Cousine Rosemarie und mir die Ostereier zwischen den langen, dicken Baumstämmen versteckt worden waren. Das Zählen fand dann in dem alten, geduckten und dunklen Müllerhaus statt, das ich nie so recht mochte. Heute steht an dessen Stelle das zweigeschossige graugrüne Wohnhaus, das mein Onkel Hans vom ortsansässigen Baumeister Franz in den Jahren 1937/38 erbauen ließ.
Böse Zungen behaupteten, dass er das Haus mit seinem Klingelwagen erarbeitet hätte.
Mit diesem Planwagen, gezogen von einem Pferd, fuhr er an bestimmten Tagen über die umliegenden Dörfer und verkaufte alle Produkte, die er in seiner Mahl- und Ölmühle hergestellt hatte. Jedes Mal, wenn er an einem bestimmten Platz angekommen war, ertönte seine Glocke am Wagen, um die Bewohner zum Kauf aufzufordern. Die Mahlmühle bediente inzwischen sein Müllergeselle Alfred Kursawa.

Dass für uns Kinder der Holzplatz ein idealer Spielplatz war, versteht sich von selbst. Was konnten wir auf den Stämmen herumturnen, die hohen Stapel geschnittener Bretter entlang der Straße, heute stehen dort die Wohnhäuser, luden trotz Verbots zum Klettern ein. Und was war das da oben für ein herrlicher Rundblick für uns kleine ‚Bergsteiger’.

Später als ich größer war und nach dem Tode meiner Großmutter, durfte ich die Ferien dann bei Onkel und Tante verbringen, was natürlich angenehmer war, weil Hans und Rosemarie als Spielgefährten da waren. Und da setzen auch meine intensiveren Erinnerungen ein.
Jedes Mal in den Ferien, hat mich Onkel Hans am Anfang und am Ende auf der Sackwaage, links am Mühleneingang, gewogen, um festzustellen, ob ich mich in der guten Landluft und bei Tante Mariechens Kost auch genügend erholt hätte. Das Ergebnis weiß ich heute nicht mehr.
Das Faszinierendste in der Mühle waren für mich zum einen die vielen sich drehenden Räder, die von ledernen Treibriemen angetrieben wurden, um die einzelnen Schrot- und Mahlwerke in Gang zu setzen und zum anderen der Aufzug direkt am Eingang.
Aus Berlin kannte ich nur die Aufzüge in den Kaufhäusern, die von einem Mann in Uniform mit gewichtiger Miene unter Ausrufung der Stockwerke und der dort angebotenen Waren bedient wurden. Der bewegte nur einen Hebel, um ihn in Bewegung zu setzen. Hier aber musste ein Mensch, neben einem Sack Getreide stehend, kräftig übergreifend an einem dicken Tau ziehen, um in die Höhe zu gelangen. Onkel Hans hatte meine größte Bewunderung.

Und dann die Seele des ganzen drehenden Räderwerkes, der Motor im Maschinenraum. Für mich ein gewaltiges Ding, das mir mit seinen Funken sprühenden Schleifkontakten großen Respekt einflößte. Alle Maschinen, ob in der Mahlmühle, der Ölmühle, der Werkstatt und dem Sägewerk wurden von diesem Motor über Transmissionen angetrieben. Man kann es kaum glauben, dieser Oldtimer verrichtet noch heute zuverlässig seine Dienste.
Das Schönste war jedoch die Aussicht aus den Fenstern des obersten Bodens, nur die Türme der Kirche sind höher. Aus einem sah man die Werkstatt der Spreewaldbahn mit ihrem Rangierbetrieb, aus dem nächsten die Molkerei und das Wohnhaus mit Stall und Scheune, und wieder aus dem daneben das Dorf, die Kirche und die Weite des Spreewaldes. Diese Bilder habe ich heute noch im Kopf.

Richtig beeindruckt war ich vom Betrieb der Ölmühle. An bestimmten Tagen, wenn Öl ‚geschlagen’ wurde, klingelte unten im Wohnhaus das Feldtelefon (ein Apparat mit Handkurbel) der für uns Kinder das Zeichen gab, mit einer ‚Schniete’ (einer Scheibe Brot) in die Ölmühle zu kommen. Dort hantierte die kräftige Gestalt von Onkel Hans an der Röste, füllte das Röstgut mit ein paar Schlägen in die Stahlformen und wuchtete diese anschließend in die Presse.
Wir hatten inzwischen die Schnitten leicht angeröstet und als das Öl in die Becher floss, ließen wir es erst über unsere Brote laufen. Danach wurden sie voller Behagen mit Zucker oder Salz verzehrt. Dieser Geschmack frischen Öls liegt mir noch heute auf der Zunge und kein Supermarkt kann Vergleichbares bieten.

Nebenan war die Werkstatt. Dort wurden die Reparaturen ausgeführt, die der Mühlenbetrieb erforderlich machte, vor allen Dingen Holzarbeiten.
Dieser Raum sollte nach Kriegsende noch eine besondere Bedeutung bekommen.
Das Sägewerk war für uns Kinder tabu. Ich jedenfalls mochte es auch nicht wegen der lauten Geräusche, die die heftig auf und ab ratschenden Sägeblätter verursachten, die schon allein durch ihr Vorhandensein Gefahr signalisierten.

Während der letzten beiden Kriegsjahre, die Kinder wurden wegen der zunehmenden Bomberangriffe aus Berlin evakuiert, wohnte ich „bei Nitschkens“ im Hause meiner Verwandten. Mein Cousin Hans, der ebenfalls das Müllerhandwerk erlernt hatte, war inzwischen zum Militär eingezogen worden und mein Onkel betrieb die Mühle mit einem Lehrling und einem Gehilfen. Ich fuhr jeden Morgen nach Lübben zum Paul-Gerhardt-Gymnasium und hatte nicht mehr so einen innigen Kontakt zur Mühle. Das änderte sich schlagartig mit dem Einmarsch der Roten Armee in Straupitz.
Nachdem betrunkene Soldaten in das Haus energisch eingedrungen waren, hatte mein Onkel die Geistesgegenwart, die Soldaten so abzulenken, dass die Frauen mit Sprüngen aus einem Erdgeschossfenster in den Garten flüchten konnten. Darauf beschlossen er und mein Großvater, der in der Zeit ebenfalls im Hause lebte, die Frauen für die nächsten Nächte in der Haube ganz oben in der Mühle unterzubringen.

Dazu wurden leere Säcke, so gut es ging, unter dem großen horizontalen Zahnrad (der Bunkler, K. Rudolph) zum Schlafen ausgebreitet, Decken, zwei Säcke Getreide und auch ein Tau hinauf geschafft. Dieser Raum war nur über eine schmale, von unten aufzustemmende Klapptür zu erreichen. Sollten die Russen unten in die Mühle eindringen, dann sollte das Tau, das am großen Rad befestigt war, aus dem abgelegenen Fenster geworfen werden, an dem die Frauen dann an der schrägen Außenwand sich herabhangeln sollten. Um Zeit für die Flucht zu gewinnen, waren auf der Klapptür die beiden Getreidesäcke gestapelt.
Aus heutiger Sicht absurde Ideen, aber was wird nicht alles aus der Not geboren.
Ich glaube, dass wir nur ein oder zwei Nächte mehr schlecht als recht dort oben verbracht haben, und Gott sei Dank ist der Ernstfall nicht eingetreten.

Als sich die Lage im Dorf nach einigen Tagen beruhigt hatte und im Wohnhaus eine Art Kommandantur eingezogen war, die uns vor weiteren Übergriffen schützte,
Onkel Hans kurzzeitig als kommissarischer Bürgermeister bestimmt worden war, wollten die Dorfbewohner Brot backen, hatten aber kein Mehl.
Auf der Mühle lag Getreide, aber es ab keinen Strom, um es zu mahlen. Da wurde auf dem verlassenen Schlosshof eine alte Dampfmaschine ausfindig gemacht und mit einem Ochsengespann zur Mühle geschafft. Diese wurde dann in dem bewussten Werkstattraum fest verankert und mit der Transmission der Mühle verbunden. Und siehe da, nach einigen Instandsetzungsarbeiten durch Mitarbeiter der benachbarten Spreewaldbahn-Werkstatt wurde das Ding zum Laufen gebracht, zumindest so lange, bis es wieder Strom gab.

Mein Onkel Johannes Nitschke und danach sein Schwiegersohn, Willy Nowak, betrieben die Mühle noch mehrere Jahre weiter, bis sie den Betrieb wegen Ersatzteilmangel und Unrentabilität einstellen musste.

Dankbar muss ich sagen, dass in der schweren Nachkriegszeit uns so mancher Beutel Mehl und ab und zu so ein kleines Fläschchen Leinöl über ärgste Hungerzeiten hinweg geholfen haben.
Deshalb bin ich froh, dass die Mühle erhalten geblieben und schöner denn je wieder erstanden ist und auch der nachfolgenden Generation am heimatlichen Ort wieder einen Arbeitsplatz bietet.

Werner Robel (1929), Berlin 2009



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Klaus Rudolph

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