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Mühlen- und Müllerforum "Glück zu!"

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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 987 mal aufgerufen
 Müllerei & Mühlentechnik
babapf ( gelöscht )
Beiträge:

08.06.2011 13:52
Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Hallo, ich bin Babapf und neu hier.
Ich schreibe gerade an unserer Familiengeschichte. Ein Vorfahre, geb. 1878, war Müller. Gelernt hat er auf einer Wassermühle in der Oberpfalz, später ging er auf die Wanderschaft und war bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges in einer Kunstmühle "im Badischen". Mich interessiert alles, was mit seinen Lebensumständen zu tun hat:
Wie waren die Arbeitsbedingungen/ die Bezahlung um die vorletzte Jahrhundertwende? Wie sah die Ausbildung aus? Welche Gefahren/ Unfallrisiken gab es?
Wann setzte das "Mühlensterben" ein und wie wirkte es sich aus?
Waren Müller Vorreiter bei der Elektrifizierung?
Gibt es Quellen, die mir weiterhelfen könnten?
Gibt es vielleicht freundliche Forenmitglieder, die mir weiterhelfen können und wollen?

Achim



Beiträge: 232

08.06.2011 18:46
#2 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Zitat von babapf
Waren Müller Vorreiter bei der Elektizifierung?

Hallo Anna, hierzu weiß ich folgendes zu berichten. Eine Wassermühle im Raum Naumburg (Sachs.-Anh.) trieb einen Gleichstromgenerator an. Das war so ab ca. 1900. Im Inselbetrieb wurden Abnehmer im Ort versorgt, das waren nur wenige. Die Mehrheit der Einwohner hatten keinen Strom. Das Besondere daran, von der Mühle (dem Kraftwerk) waren zu jedem Abnehmer separate Freileitungen verlegt. Der Stromverbrauch wurde in der Mühle gezählt ! Zähler wie wir sie kennen, gab es noch nicht. Damals enthielten sie ein Glasrohr. In diesem verdampfte Quecksilber, in Abhängigkeit der Strommenge. Außen war eine Skala, an der man den Verbrauch ablesen konnte. Am Monatsende kam der Kunde, gemeinsam mit dem Müller wurde der Zähler abgelesen und der Strombezug bezahlt.
Anschließend wurde das Glasrohr um 180° gedreht und neu verplompt. Fertig

Das Kraftwerk besteht noch heute, sicher nicht wie 1900, aber so wie etwa 1930. Es ist eine AEG-Anlage in Topperhaltung. Später kam dann der überregionale Anbieter und drängte den Müller aus dem Geschäft. Noch heute wird so elektr. geheizt.

Achim
aus dem Vogtland

tannhäuser



Beiträge: 99

08.06.2011 18:51
#3 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Mein Urgroßvater hat auch um 1900 begonnen Gleichstrom zu erzeugen und ein Teil des Ortes damit zu versorgen.

GZ.
tannhäuser

Mehltheuer



Beiträge: 699

08.06.2011 21:44
#4 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Hallo
Erst mal vorab ein paar grobe Antworten:
Kann nur für eine größere Mühle antworten geben(so um 1920 in Ostpr.)

Zitat
Wie waren die Arbeitsbedingungen/ die Bezahlung um die vorletzte Jahrhundertwende? Wie sah die Ausbildung aus? Welche Gefahren/ Unfallrisiken gab es?


Bezahlung 65-70 Reichsmark(10 RM Wohnungsmiete),Arbeitszeiten so 12-16 Stunden
Beleuchtung mit Petroleumlampen in staubiger Atmosphäre(jeden Tag Lampen
warten wegen Feuergefahr),Staublunge, in Treibriemen abgerisssene Gliedmaßen.
Lehrzeit damals 4 Jahre,nur ein paar Tage einen "Schulkurs"(Berufschule) vor der schriftl. Gesellenprüfung.
Techniker und Meisterschulen gab es schon in heute ähnlicher Form.
Techniker und Meisterschulen gab es z.b
Dippoldiswalde(heute Deutsche Müllerschule Braunschweig)
München
Worms
Nürnberg
Wanderschaft ca. 1/2 bis 1 Jahr

Zitat
Wann setzte das "Mühlensterben" ein und wie wirkte es sich aus?


Das Mühlensterben begann ca 1880, endete in den 1970er Jahren
Es gab um 1900 etwa 70.000 Mühlen,1930 etwa 6000,1970 etwa 4000 heute sind es ca.400
Die Müller bekamen eine Stilleguungsprämie von ca 30.000 DM so mein Urgroßvater 1956,
Mahlsteine und Getriebe flogen auf den Schrott.

Zitat
Waren Müller Vorreiter bei der Elektrifizierung?


Ja und Nein. Elektrifizierung im Großen Mastab erfolgte erst als Tesla und Westinghouse
das Wasserkraftwerk an den Niagarafällen/USA in Betrieb nahmen.
Eine wirkungsvolle PR Maßnahme war auch die erste Fernstromleitung von Lauffen nach Frankfurt/M
um 1891 zur Elektrizitätsaustellung,lohnt sich zu googlen sehr interessante Geschichte...
Viele kleine (Wasser)Mühlen lieferten aber vor dem aufkommen der Verbundnetze im Inselbetrieb Strom
für den Eigenbedarf und für die Nachbarschaft,das waren aber wenige KW
Mein Urgroßvater hatte eine Mühle nach dem ersten WK gekauft und ab ca 1930 einen (Gleichstrom)Generator
an die Wasserradwelle gehängt und so als erster in Adelebsen bei Göttingen Strom der für ein paar funzelige
Glühbirnen Telefon(!) und Röhrenradio reichte, die Anlage bestand bis 1956,dann anschluss an Verbundnetz.
Die Hausleitungen aus 1930 werden bis heute genutzt!

Zitat
Gibt es Quellen, die mir weiterhelfen könnten?


z.b dieses Forum
Sehr empfehlenswert und passend für die Zeit deines Vorfahren:
"150 Jahre Müllerei und Mühlentechnik" zu Bestellen(wenn noch vorhanden)
bei dem Herausgeber Stefan Kastenmüller info@kastenmüller.com.
Antiquariate

Zitat
Gibt es vielleicht freundliche Forenmitglieder, die mir weiterhelfen können und wollen?


Einfach fragen vielleicht hilft ja einer

Schöne Grüße Paul aus Hessen,jetzt(noch) Osnabrücker

Gruß aus der Klapsmühle!
Paul



Andere haben so nutzlose Steinhaufen gebaut, die Pyramiden genannt werden, ich baue lieber Mühlen, die nützen wenigstens den Menschen.

babapf ( gelöscht )
Beiträge:

12.06.2011 21:00
#5 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Liebe Antworter
mit solchen fundierten Antworten habe ich gar nicht zu rechnen gewagt. Vielen Dank!
Was bedeutet eigentlich "Kunstmühle"?

Askop
Administrator


Beiträge: 610

12.06.2011 21:42
#6 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Zitat von babapf
Was bedeutet eigentlich "Kunstmühle"?

Das Gegenteil der Kunstmühlen sind Wind- und Wassermühlen mit "natürlicher" Antriebskraft. Wurde eine Wind- oder Wassermühle z.B. auf Ektroenergie ("künstliche Antriebskraft) umgerüstet (z.B. weil die Flügel verbrannt waren und ein Neukauf zu teuer war), wurde daraus jedoch keine Kunstmühle. Von "Kunstmühle" sprach man nur dann, wenn diese nicht als Wind- oder Wassermühle, sondern als "moderne" Mühle mit "künstlicher" Antriebskraft gebaut wurde. Also gewissermaßen eine Industrie- oder auch Fabrikmühle ohne Flügel bzw. Wasserad/Wasserturbine.

Glück zu!

Mehltheuer



Beiträge: 699

13.06.2011 22:22
#7 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Oder "Kunstmühle" kommt von den vergleichsweise
"Anspruchsvollen" Ablaufdiagramm der modernen
Mühlen im Gegensatz zu den primitiven alten...
Eben eine echte "Kunst" diese zu gestalten...
Hab ich mal gehört.

Gruß aus der Klapsmühle!
Paul



Andere haben so nutzlose Steinhaufen gebaut, die Pyramiden genannt werden, ich baue lieber Mühlen, die nützen wenigstens den Menschen.

Askop
Administrator


Beiträge: 610

13.06.2011 22:40
#8 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Zitat von Mehltheuer
Oder "Kunstmühle" kommt von den vergleichsweise
"Anspruchsvollen" Ablaufdiagramm der modernen
Mühlen im Gegensatz zu den primitiven alten...

Nee, ich glaube nicht.

Glück zu!

ultratrieur



Beiträge: 2.209

14.06.2011 09:27
#9 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Zitat von Askop

Zitat von Mehltheuer
Oder "Kunstmühle" kommt von den vergleichsweise
"Anspruchsvollen" Ablaufdiagramm der modernen
Mühlen im Gegensatz zu den primitiven alten...

Nee, ich glaube nicht.




Glaube ich aber schon. Vom Umherreisen in deutschen Landen ist mir der Begriff "Kunstmühle" eigentlich nur aus südlichen Gefilden geläufig - und da prangt(e) er an jeder zweiten Wassermühle. Ohne, dass ich das jetzt belegen kann - den Begriff assoziiere ich mit einer Walzenmühle, allerdings käm es mir auch nicht absurd weit her geholt vor, eine automatische oder halb automatische Mühle mit Gängen und Zentrifugalsichtern als KM zu bezeichnen.



Flo der Liebe

Mehltheuer



Beiträge: 699

14.06.2011 18:46
#10 RE: Müllerei um 1900 Zitat · Antworten

Habe diese Version von dem Ausbilder an der
Schulmühle in Stuttgart, als einer der
Schüler mal fragte was eine "Kunstmühle" ist.
Ich glaube das war ein "Angeberbegriff" wie
"Ich habe eine 5 Tonnenmühle,du
aber nicht!"
Fünf Tonnen Tagesleistung wohlgemerkt...

Gruß aus der Klapsmühle!
Paul



Andere haben so nutzlose Steinhaufen gebaut, die Pyramiden genannt werden, ich baue lieber Mühlen, die nützen wenigstens den Menschen.

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