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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Zur Geschichte der "Dreifach(wind)mühle"
Klaus Rudolph
Administrator


Beiträge: 47

09.12.2016 15:02
Chronik 1994/95: Zur Restaurierung der Ölmühle - Teil I Zitat · Antworten

Chronik der Holländermühle zu Straupitz: Die Restaurierung der Ölmühle 1994/95 - Teil I

Autor: Klaus Rudolph, Straupitz/Cottbus

Änderungen, Vervielfältigung, Nachdruck und Veröffentlichung - das Ganze oder Teile betreffend - nur mit Genehmigung des Autors!




Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) beim Arbeitsamt Cottbus (Bewilligung und Finanzierung)
Projektnummer: 1424/94
Projektbezeichnung: „Restaurierung der Turmwindmühle Straupitz; Teilprojekt: Ölmühle“
Dauer: 2 Jahre mit vorläufiger Befristung auf 4 Monate bis April 1995

Projektträger: Spreewald-Land e.V., Mühlendamm 9 in 15907 Lübben; Geschäftsführer Werner Hensel, Cottbus
Projektbetreuer beim Träger: Peter Schurwanz, Byhlen. (Dieser kam auf seinem Arbeitsweg von oder nach Lübben öfters sehr oft in der Mühle vorbei.)

In der beim Arbeitsamt eingereichten Projektbeschreibung war folgende Hauptzielstellung formuliert: „Errichtung und Ausgestaltung einer musealen Schauwerkstatt zur Leinölherstellung als Beitrag zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur (Schaffung einer neuen Touristenattraktion)“

Dieses Hauptziel sollte durch folgende Teilaufgaben realisiert werden:
- allgemeine Aufräum- und Säuberungsarbeiten in der Mühle und im Außenbereich
- Beseitigung von Bauwerksschäden im Bereich der Ölmühle (Mauern, Wände, Dach, Schornstein, Türen)
- Restaurierung und Rekonstruktion der Ölmühlen- und Antriebstechnik
- Erforschung der Mühlengeschichte
- Einrichtung des ehemaligen Dampfkesselraumes als „Schauraum“ für Besucher


Montag, 19.12.1994 - der erste Tag

An diesem trüben Montag zu Beginn der Weihnachtswoche morgens 8 Uhr trafen sich vor dem Mühleneingang die ABM-Beschäftigten mit den Verantwortlichen des Projektträgers Spreewald-Land e.V. Lübben.



Zu dieser ABM-Gruppe gehörten:
Klaus Rudolph (51, Dipl.-Lehrer), Projektleiter, (nicht im Bild)
Dieter Zach † (50, Schlosser), Vorarbeiter (links außen)
Diana Mück (29, Verkäuferin), Vorarbeiterin (2. von links)
Bernd Wenzel (40, Schlosser), Arbeiter (Bildmitte)
Gabriele Hübner (38, Verkäuferin), Arbeiterin (2. von rechts)
Irene Kasprick (58, Bäuerin), Arbeiterin (rechts außen)

Die Monatsgehälter betrugen brutto
Projektleiter: 1.800 DM
Vorarbeiter: 1.600 DM
Arbeiter: 1.400 DM.
Die Gehälter blieben bis zum Ende der ABM im Dezember 1996 unverändert.

Zunächst erläuterte der Geschäftsführer des Trägervereins, Herr Werner Hensel, die o.g. Hauptzielstellung und Teilaufgaben des Projektes, danach wurde mir vom Projektbetreuer, Peter Schurwanz, folgende "Ausrüstung" übergeben, deren Erhalt ich zu quittieren hatte:

2 Schubkarren
3 Spaten
3 Schippen/Schaufeln
3 Straßenbesen
3 Stubenbesen
2 Handfeger
1 Kehrichtschaufel
5 Zinkeimer
1 Hammer
1 Beißzange
1 Satz Schraubendreher (5 verschiedene)
1 Erste-Hilfe-Kasten (Sani-Kasten)
1 Feuerlöscher
10 Paar Arbeitshandschuhe


Mit diesen Gegenständen sollte die völlig kaputte Mühle repariert/restauriert werden! Später durfte ich mit Genehmigung des Trägerbetriebes selbst noch einiges nachkaufen wie z.B. Nägel, große Mengen Schleifpapier sowie Material wie Kalk und Zement. Trotzdem war mit dem Werkzeug nicht viel anzufangen, weshalb Rudolph seine private Ausrüstung auf die Mühle schleppte. Manches davon ist heute noch vorhanden wie die alte Hobelbank auf dem Mahlboden der Kornmühle.

Nachdem Herr Hensel und Herr Schurwanz wieder abgefahren waren, erkundete ich mit meinem neuen „Team auf Zeit“ die neue künftige Arbeitsstätte.

Der innere Zustand der Mühle war katastrophal und gruselig, denn es war sehr kalt, feucht, muffig und dunkel. Spärliches Licht gab es nur in der kleinen Müllerstube und im Sägewerk, denn um die Kornmühle im Mühlenturm und um die Ölmühle im Anbau hatte sich jahrelang niemand mehr gekümmert, sie waren verwahrlost, vermüllt und in der Bausubstanz stark geschädigt. Überall Schmutz, Spinnweben, Ratten- und Mäusedreck, die meisten Fenster kaputt oder samt Rahmen nicht mehr vorhanden; verfaulte und stellenweise fehlende Dielungen, herunterhängende Stromkabel, kaputte Lampen; unverputzte Wände; alle Räume muffig, feucht, total verdreckt; großflächige Durchnässungen im Mühlenturm; feuchte, angefaulte und teils schimmelige Dielen und Deckenbalken, einige Balkenköpfe waren völlig verfault und nicht mehr tragfähig:



Die Pappdächer von Ölmühle, Motorraum und Müllerstube waren verschlissen, was für nasse Wände sorgte.

Der Sackboden war von Jemanden als Schrottlagerplatz missbraucht worden. Hier lagerten die gebrauchten Einzelteile einer kompletten Schwerkraftheizungsanlage aus DDR-Zeiten (vermutlich aus dem früheren Nowak-Müllerhaus) samt Heizkessel, Gussrippen- und Flachheizkörpern und sehr vielen Rohren. Der Schrott nahm viel Fläche ein und lag auch direkt unter dem Mühlenvorgelege mit den großen Riemenscheiben. Möge sich Derjenige heute noch schämen für seine Mühlen-Missetat!

Die Mühle war auch von außen in katastrophalem Zustand und fast eine Ruine:



Das Turmmauerwerk war ausgefault mit starken Zerfallserscheinungen, an einigen Stellen fehlten ganze Ziegeln, in den Mauerfugen wuchsen kleine Birken; die Außenwände am Eingang zur Kornmühle und am Sägewerk waren z.T. eingefallen, der Innenputz nicht mehr vorhanden. Es gab auch keine Dachrinnen; das von den Flachdächern ablaufende Regenwasser war jahrzehntelang vom Erdboden an die Wände gespritzt und hat für massive Schäden infolge Durchnässung gesorgt.

Unter der Traufe des Sägewerks hing das Eisengestell eines ca. 6 m langen Förderbandes quer an der Außenwand, welches von Willy Nowak zur Späneentsorgung aus dem Sägewerkskeller angeschafft, aber nie verwendet wurde. Das Förderband war aber so schwer, dass dadurch die Wand vom Eckpfeiler abriss und eine Schrägneigung von ca. 10° nach außen aufwies. Der Riss im Eckpfeiler war oben ca. 10 cm breit (man konnte durchschauen) und verjüngte sich nach unten. Die schief stehende Sägewerkswand wurde nur noch vom Sägewerkdach (Pfette und Sparren) gehalten und vor dem Einsturz bewahrt. Begünstigt wurde dies durch das Fehlen eines Fundamentes; man hatte die Ziegelwand aus Backsteinen ebenerdig direkt auf den märkischen Sand gemauert. (2001 wurde alles sach- und fachgerecht erneuert.)

Der Erdwall an der Ostseite des Mühlenturms war mit den Jahren hochgewachsen bis an die Oberlichter des Sackbodens (Kellergeschoss), wodurch nichtablaufendes Regenwasser durch die Fenster nach innen dringen konnte, deren Rahmen verfault waren. Auf dem Mühlenwall lagen mehrere kaputte und intakte Mahlsteine sowie Reste vom gusseisernen Windrosengetriebe. Die Mühlwiese war jahrelang nicht gemäht worden und total verfilzt.
An der Nordseite des Mühlenturms war eine starke Birke hochgewachsen, deren Wurzeln den zur Ölmühle gehörenden Schornsteinfuchs zerstört hatten und bereits durch die Wand der Ölmühle bis ins Innere des Röstofens vorgedrungen waren.

Die ansteigende Mühlenauffahrt von der Laasower Straße aus war unbefestigt und vom Regen ausgespült, Reste einstiger Feldsteinpflasterung waren von Gras überwuchert bis an die Eingangstür zur Kornmühle; vor und hinter der Sägemühle lagen große Haufen verfaulter Sägespäne und Säumlinge; vor dem Sägewerk lagerten zahlreiche teils von Brombeeren überwucherte und bis zu 1 m dicke Holzstämme neben- und übereinander, die vor Jahren vermutlich mal zum Sägen vorgesehen waren.


Die Arbeitsbedingungen für die ABM-Gruppe waren sehr schlecht: keine Heizung, kein Wasser, kaum Licht. Die Mühle dunkel, kalt und feucht. Um sich etwas die Hände wärmen zu können, wurden im Röstofen der Ölmühle versuchsweise einige Holzstückchen verbrannt. Der dabei entstehende Qualm aber zog nicht in den Schornstein ab, sondern in die Ölmühle, die in kurzer Zeit mit beißendem Rauch erfüllt war. Das Feuer wurde wieder gelöscht und der Ofen untersucht: der Fuchs (gemauerter Rauchabzug als Verbindung zwischen Ofen und freistehendem Schornstein) war nicht mehr vorhanden, nur ein Loch in der Wand, welches mit Erde und starken Birkenwurzeln ausgefüllt war.

Einziger beheizbarer Raum war die kleine ehemalige Müllerstube mit rohem Zementfußboden und einem alten und nicht ganz intakten gusseisernen Ofen, aus dem durch Risse Funken sprühten und beim Öffnen der Klappe die Glut herausfiel. Weil keine Kohlen vorhanden waren, wurden diese von Zuhause mitgebracht. Außer einem alten Tisch war in der Müllerstube kein weiteres Mobiliar vorhanden. In der Mühle fanden sich aber einige alte Stühle, und ich holte von zu Hause eine Gartenbank, so dass wir 6 Mitarbeiter alle sitzen konnten. Der Raum roch muffig, die Wände waren feucht, hinter der rotbraunen (Fußbodenfarbe?) hölzernen Wandverkleidung schimmelte es. In der einstündigen Mittagspause fuhren deshalb alle Mitarbeiter mit dem Fahrrad nach Hause zum Essen. Im Jahr darauf haben wir die modrige Wandverkleidung entfernt und die schimmeligen Wände samt Decke neu verputzt und gemalert. Den Fußboden mihaben wir mit privatem PVC-Belag von zu Hause ausgelegt. Fast nirgends brannte Licht, die meisten Glühlampen waren kaputt oder fehlten. Weil wir keine neuen hatten, besorgte ich welche aus Privatbesitz. Die Elektrik in Korn- und Ölmühle war wenig vertrauenerweckend, etliche Kabel hingen lose von der Decke und an den Wänden. Auch stammten die meisten Leitungen vermutlich noch von 1923, also Drähte mit teilweise brüchiger Baumwollisolierung in verzinkten Blechrohren.

An der Nordseite des Mühlenwalls stand unterhalb des Ölmühlenschornsteins direkt an der Wand der Ölmühle eine Bretterbude als „Plumpsklo“. Diese haben wir als Erstes abgerissen und als Ersatz ein blaues Dixi-Klo neben dem alten Trafohaus an der Laasower Straße (2001 abgerissen) aufgestellt, was aber im Winter saukalt war. Die Frauen fuhren deshalb „in der Not“ lieber mit dem Fahrrad nach Hause oder gingen - wenn‘s arg pressierte - auch mal bei den Mühlennachbarn klingeln. Mit der Hygiene sah es auch nicht gut aus, denn auf der Mühle gab es wegen der Grundstücksabtrennung vom Müllerhaus kein Wasser, also auch keine Möglichkeit zum Händewaschen. Im Frühjahr darauf borgte ich von der Gemeinde-ABM ein fahrbares Jauchefass und kaufte das Wasser beim Nachbarn Bogula (Laasower Straße 11). Ich glaube nicht, dass sich die heutigen Beschäftigten der Mühle die damaligen Arbeitsbedingungen vorstellen können, denn seit 2002 gibt es mit dem neu errichteten Müllerhaus samt WC und Duschen für die Belegschaft recht komfortable Bedingungen. Vermutlich wäre von den Heutigen auch gar niemand bereit gewesen, unter den damaligen Bedingungen zu arbeiten.


In den nur noch wenigen Tagen des alten Jahres wurde die Mühle grob gesäubert und von mühlenuntypischem Gerümpel befreit, darunter die schon erwähnte Heizungsanlage - das war eine schwere Plackerei. Im Neu Zaucher Heimwerkermarkt Erdmann kaufte ich große Styroporplatten und nagelte diese gemeinsam mit Dieter Zach in die leeren Fensteröffnungen im Mühlenturm gegen eindringendes Regenwasser. Dieses Provisorium wurde erst 2002 beseitigt.

Die Wiedergeburt der Ölmühle


Zustand der Ölmühle 1994:






Januar 1995

Angesichts des desolaten Zustandes der Mühle wurde mir ziemlich schnell klar, dass die gestellten Ziele des ABM-Projektes für eine solche „Laientruppe“ eigentlich „eine Nummer zu groß“ waren und mit den zur Verfügung gestellten Werkzeugen und Finanzmitteln kaum realisiert werden konnten. Ich hatte ja sehr rasch bei einigen Tischlern der Region Angebote eingeholt zur Restaurierung der Sprossenfenster in der Ölmühle (drei zweiflügelige Fenster) und im Kesselraum (zwei nicht zu öffnende Fenster mit je 42 kleinen Feldern) eingeholt. Das war gar nicht so einfach, weil die Mühle damals noch keinen Telefonanschluss besaß und in den ABM-Kosten keinerlei Fahrtkosten enthalten war. Aber ich war wild entschlossen, die Mühle zu retten und scheute deshalb auch keine privaten Kosten. Also fuhr ich mit eigenem Auto zu Baumärkten und Tischlern. Das teuerste Angebot mit rund 15.000 DM kam von der Fa. Burisch in Lübben/Radensdorf. Soviel Geld aber war im Sachkostenplan mit insgesamt ca. 30.000 DM gar nicht vorgesehen. Allein für das Dixi-Baustellenklo fielen monatlich 200 - 250 DM Mietkosten an (50 DM je Woche inkl. Entsorgung). Also kam ich auf die naheliegende Idee, bei der Gemeinde Straupitz als vermeintlichem Eigentümer der Mühle anzuklopfen, um bestimmte Vorhaben finanziell zu unterstützen und einige Ausrüstungen und Werkzeuge der „Dorf-ABM“ mit für die Mühle zu nutzen. Also organisierte ich eine Zusammenkunft in der Mühle mit Gemeindevertretern und der unteren Denkmalschutzbehörde.

Zu dieser Zusammenkunft erschienen Rosemarie Noack von der unteren Denkmalschutzbehörde sowie die Gemeindevertreter Andreas Becker (in Vertretung von Bürgermeister Rekitt), Frau Ingrid Walter und Kurt Wehlan. Ich erläuterte meine Vorstellungen und Vorhaben und die damit verbundenen Probleme und Schwierigkeiten, stieß aber auf wenig Verständnis. Insbesondere hatte die Gemeinde wohl auf Grund ihrer hohen Schulden keinen finanziellen Spielraum. U.a. hatte die vormalige Bürgermeisterin, Frau Harzbecher, 1 Mio DM Bankkredit mit marktüblichen Zinsen aufgenommen zur Pflasterung des Weidenweges, um diesen dem lange zuvor angekündigten „hohen Besuch“ von der Insel Mainau, Gräfin Bernadotte, stolz als vermeintliches Highlight präsentieren zu können. Für mich verlief dieses Treffen ziemlich enttäuschend. Allerdings bot Kurt Wehlan aus der Kastanienallee (Landwirt im Nebenerwerb) seine private Hilfe und Unterstützung an für den Fall, dass mal ein Traktor gebraucht werden sollte. Dafür war ich sehr dankbar und konnte dadurch den Heizungsschrott aus der Mühle loswerden.



März 1995 - Eine kalte Dusche vom Bürgermeister

Da ich mich nebenher unentwegt mit der Geschichte und Vergangenheit der Mühle beschäftigte, hatte ich mittlerweile auch herausgefunden, dass die Gemeinde 1990 lediglich die Mühle mit einem ganz kleinen Teil des ehemaligen Mühlengrundstücks vor dem Eingang gekauft hatte, aber die gesamte Mühlenwiese noch Privateigentum von Gerd Nowak war. Die Wiese war aber für die künftige Nutzung der Mühle als Touristenattraktion äußerst wichtig. Es wäre also ratsam, auch die Wiese durch die Gemeinde käuflich zu erwerben, damit das Mühlengrundstück wieder komplett für eine spätere Nutzung zur Verfügung stünde.

 Zudem benötigte ich dringend die Hilfe der „Dorf-ABM“ z.B. für ein Wasserfass (die Mühle hatte keinen Wasseranschluss) und Technik für von mir geplante Erdarbeiten am Mühlenwall. Vor allem aber brauchte ich dringend zusätzliche Geldmittel zur Beschaffung einer neuen Hydraulikpumpe für die Ölpresse, weil die alte von Willy Nowak verkauft worden war und Willy mir gesagt hatte: "Ohne Pumpe wird das (die Restaurierung der Ölmühle) nüscht."

Also ging ich zu Winfried Bürgermeister Rekitt (✝ 2015) in die Sprechstunde und legte meine Vorschläge dar. Rekitts Reaktion: „Das ist alles gar nicht möglich, aber auch nicht nötig, denn ihr sollt in der Mühle ja nur ein bisschen Rost kratzen. Wenn ihr fertig seid, werden wir weitersehen.“ Hier bekam mein Verhältnis zur Gemeinde im Allgemeinen und zu Bürgermeister Rekitt im Besonderen einen ersten Knacks, was sich im Verlaufe der späteren Jahre noch verschärfen sollte bis zur offenen Konfrontation mit kollektivem Rauswurf des Bürgermeisters aus dem Vorstand des Mühlenvereins.


19. April 1995 (Dienstag) - 1. ABM-Verlängerung

Die ABM wurde per Bewilligungsbescheid für weitere 8 Monate verlängert bis 18.12.1995.
Neue ABM-Nr.: 225/95 beim Arbeitsamt Cottbus
Beschäftigte: unverändert

Wichtige Voraussetzung für die Bewilligung der Projektverlängerung war ein schriftlicher Bericht an das Arbeitsamt zu den bisherigen Leistungen der Mühlen-ABM. Hierzu schrieb ich als Projektleiter mehrere Seiten. Nachfolgend stichpunktartig die wichtigsten Arbeiten und Ergebnisse.

Von Januar - April 1995 wurden in und an der Mühle folgende wichtige Arbeiten erledigt:

Styroporplatten in schadhafte und fehlende Fenster eingesetzt gegen ungehindertes Eindringen von Regenwasser;

alle Etagen der Kornmühle gereinigt (Schmutz, Spinnweben, Ratten- und Mäusedreck - auch aus Maschinen);

Kornmühle entrümpelt von mühlenuntypischen Gegenstände wie Teile einer Heizungsanlage u.a.;

Dielung im Kellergeschoss der Kornmühle (Sackboden) ausgebessert, Dielung am Haupteingang komplett erneuert;



Ölmühle: sämtliche Maschinen demontiert, entrostet und wieder gängig gemacht. Flachriemen repariert;

Ölmühle: am Rührwerk des Röstofen wurde der fehlende Motor durch einen neuen ersetzt (Fa. Strehle, Straupitz);

der elektrische Wrasenabzug über dem Röstofen fand sich im Bretterschuppen an der Straße (anstelle vom heutigen Müllerhaus), wurde repariert und wieder eingesetzt;

Ölmühle: der desolate Röstofen bekam ein neues Ascherost, wurde innen und außen ausgemauert und neu verfugt;

Ölmühle: der eingefallene Schornsteinfuchs zwischen Röstofen und Schornstein wurde völlig neu gemauert;

der morsche Ledertreibriemen vom Hauptmotor zur Hauptvorgelegewelle wurde erneuert (Sattlerei Bräuer, Stradow), wodurch der Mahlgang und der Lastenfahrstuhl wieder in Betrieb genommen werden konnten;

in die alten Zinkblechrohre der Mühlenelektrik von 1924 (?) samt Steckdosen und Lampen wurden neue Kupferkabel eingezogen (Paul Schulze, Ostra GmbH Neu Zauche);

die Oberlichter vom Kellergeschoss wurden freigelegt durch Abtrag des Mühlenwalls um 20 cm mit Spaten/Schaufel;




alle Flachdächer von Ölmühle, Sägemühle und Kesselraum erhielten hölzerne Dachrinnen „Marke Eigenbau“;

die Mühlenwiese wurde seit Jahren erstmals wieder gemäht (mehrere Tage lang mit Handrasenmäher);

die Außenwände von Ölmühle, Kesselraum, Kornmühleneingang und Müllerstube wurden bis zum Fundament aufgeraben bzw. zum Trocknen freigelegt;


in der Mühlenauffahrt wurde der Graswuchs beseitigt und teilweise vorhandene Pflastersteine und Mühlsteine freigelegt;



Auf einer langen Teleskopleiter wurden wilde Birken samt Wurzeln aus den Mauerfugen des Mühlenturms entfernt und Löcher im Mauerwerk provisorisch geschlossen.




Maifeiertag, 1. Mai 1995 - Die Mühlsteine werden seit 30 Jahren erstmals wieder geschärft



Florian Radüchel vom Vorstand der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. war mit seiner Freundin Sara Schaarschmidt gekommen, um mir das Schärfen der Mühlsteine mit Richtscheit, Picke und Kraushammer beizubringen. Großes Entsetzen beim Abheben des Läufersteines: zwischen den Steinen fand sich im Schluck ein großes Stück Eisen, das hat sich eingearbeitet und tiefe Nuten gefräst; vermutlich Teil einer Lagerschale. Der Tag reichte nicht aus, die Arbeit zu beenden, deshalb setzte ich das Schärfen der Mahlsteine in den kommenden Tagen alleine fort. (Bild: Bernd Wenzel und Gabi Hübner am offenen Mahlgang)



Samstag, 27. Mai 1995 - Reparatur des großen Mühlenmotors


Beim Anlassen des großen Mühlenmotors (Schleifringmotor von Pöge/Chemnitz mit 18,4 KW, Bj. 1923) kamen Flammen aus dem Läufer; vermutlich war die alte Schellack-Baumwollisolierung der Läuferwicklung defekt. Also fuhr ich nach Lübben (mit eigenem Auto) zur Fa. Fuchs & Nietz, aber das Reparaturangebot belief sich auf ca. 10.000,- DM, Wahnsinn! Zur gleichen Zeit hatte ich die Elektroabteilung der Ostra GmbH in Neu Zauche mit einer Reparatur an der Mühlenelektrik beauftragt und ich erzählte dem Elektromeister Paul Schulze aus Straupitz von dem Problem. Paul (später Vorstandsmitglied des Mühlenvereins) besah sich den Motor und schlug vor, eine Eigenreparatur zu versuchen. Gesagt, getan, an diesem Wochenende trafen wir uns beide in der Mühle, um den Motor zu reparieren. Mit einer Taschenlampe ermittelte Paul die Wicklungsschäden am Läufer und meinte, „vielleicht haben wir Glück, die ausgeglühten Drähte liegen ziemlich am äußeren Wicklungsrand“. Er kniete sich vor den Motor, und ich leuchtete mit der Taschenlampe in das dunkle Motorgehäuse.


Wie ein Uhrmacher fummelte Paul mit seinen großen Händen in der engen Läuferöffnung, schnitt die schadhaften Stellen aus der Wicklung und verband die Drähte mit Klemmen. Das Isolieren der Drähte und Klemmen war besonders fummelig und mühselig, zum Schluss wurde reichlich schwarze Lackfarbe aus einer Spraydose auf die Wicklungen gesprüht. Aus Angst vor einem Totalausfall kaufte ich später bei Fuchs & Nietz einen gebrauchten Reservemotor für 3.000 DM; der wurde aber bislang gottlob nicht gebraucht und liegt heute noch im Sägewerk. Denn der alte Pöge-Motor läuft noch immer klaglos und ohne Probleme.




Pfingstmontag, 5. Juni 1995 - Öffnung der Mühle zum 2. deutschen Mühlentag

Zum ersten Mal seit der Mühlenstillegung vor ca. 20 Jahren wurde die Mühle wieder für Besucher geöffnet und zwischen 10 und 17 Uhr ca. 150 Besucher gezählt, darunter Pfarrer Klaus Hanke mit Familie. Bürgermeister Rekitt und andere Gemeindevertreter hatten kein Interesse und waren nicht gekommen, einzig Ingrid Walter vom Heimat- und Fremdenverkehrsverein und zugleich Abgeordnete unterstützte meine Bemühungen und war zum Helfen gekommen. Dieter Zach erklärte die Ölmühleneinrichtung, allerdings fehlte zu diesem Zeitpunkt noch das Pumpwerk für die Hydraulikpresse.



Ich selbst führte durch die marode Kornmühle und bediente den reparierten Bremsfahrstuhl.


Florian Radüchel (Bild oben) vom Vorstand der Mühlenvereinigung Bln-Bbg e.V. bot Berliner Brot und Leinöl zum Kosten an - quasi als Vorgeschmack auf die angestrebte Wiederaufnahme der Leinölproduktion in der Mühle.


Heidemarie Rudolph und Ingrid Walter backten in der Müllertube Hefeplinse und kochten Kaffee für die Gäste. Nach Ende der Veranstaltung ruhten sich die Aktiven hinter der Mühle aus. Im Bild oben von links nach rechts: Heidemarie Rudolph, Ingrid Walter, Dieter Zach, Florian Radüchel, Berlin.

Der Eintritt war kostenlos, aber in der Ölmühle hatten wir eine Spendenkasse aufgestellt zur Wiederbeschaffung eines Hydraulikpumpwerks für die Leinölpresse. Abends zählten wir ca. 30 DM in der Spendenkasse.


September 1995 - Die Mühle ist plötzlich herrenlos


1990 hatte die Gemeinde bzw. die Bürgermeisterin, Frau Harzbecher, die Mühle von der „Bau-Denkmalpflege GmbH, Cottbus“ (vorm. VEB Denkmalpflege Cottbus) für 49.396,20 DM gekauft und wähnte sich als rechtmäßiger Eigentümer. Nunmehr wurde eine „wilde“ ABM-Truppe zur Dorfverschönerung in Eigenregie der Gemeinde beauftragt, im Sägewerk der Mühle Bretter und Kanthölzer für den ABM-Bedarf zu sägen. Zudem wurde die ABM-Truppe angewiesen, in allen Räumen und Etagen der Mühle den Innenputz abzuschlagen zum Trocknen der feuchten Wände. Fehlende Fachkenntnis und mangelnde Sorgfalt fügten der Mühle dadurch weitere Schäden zu, da die Maschinen und Einrichtungen nicht abgedeckt wurden und Putzbrocken/Mörtelstaub ins Innere der Maschinen gelangte. Auch das Vollgatter wurde durch unsachgemäßen Umgang der ABM-Leute ruiniert.

Der neue Straupitzer Bürgermeister Winfried Rekitt (ab 1993) wähnte die Gemeinde ebenfalls als rechtmäßige Eigentümerin der Mühle und bestätigte dieses schriftlich in den Antragsunterlagen zur „Mühlen-ABM ab 1994“ als zwingende Voraussetzung für die Bewilligung der ABM durch das Arbeitsam; andernfalls wäre diese überhaupt nicht genehmigt worden und zustande gekommen. Allerdings hatte der ABM-Träger „Spreewald-Land e.V. Lübben“ den ABM-Antragsunterlagen einen Katasterauszug beigefügt, worin das Mühlengrundstück vier Jahre nach dem Kauf immer noch als „Eigentum des Volkes“ ausgewiesen war. Seltsamerweise hat das Niemanden stutzig gemacht, so dass dieses auch nicht hinterfragt wurde ... bis K. Rudolph den Stein in‘s Rollen brachte - mit fatalen Folgen.



In den zurückliegenden Monaten hatte ich mehrfach mit Amtsdirektor Elmar Spicker (im Bild 2. v.l.) über den desolaten Zustand der Mühle und eventuelle Amtshilfen gesprochen. Spicker war mit seiner Lebenspartnerin Kika Maumené 1990 als „Aufbauhelfer Ost“ aus Puhlheim/NRW nach Straupitz gekommen, wurde 1992 Amtsdirektor und ließ sich 2000 mit 57 Jahren vorzeitigen pensionieren. Seitdem lebt er im "Haus Kuchental" (ehem. Bahnwärterhaus) in Schmidtheim, Gem. Dahlem/Eifel. Siehe: https://www.lr-online.de/lausitz/luebben...tal_aid-3461202 )Bei all meinen Fragen zur Mühle wiegelte Spicker aber stets ab und meinte: Ich weiß gar nicht, ob die Mühle wirklich der Gemeinde gehört? Vermutlich wusste er ja von dem dubiosen Mühlenkauf 1990 durch die damalige Bürgermeisterin. Zum damaligen Zeitpunkt leitete Ingrid Walter die Straupitzer Tourist-Info im Gebäude der Amtsverwaltung in der Kirchstraße. Damals arbeiteten Ingrid Walter, die auch im Gemeinderat saß, und Klaus Rudolph noch gut zusammen, denn Frau Walter hatte das „ABM-Projekt Mühle“ mit angeschoben und erhoffte sich damit eine künftige Touristenattraktion für den Ort. Bei einem solchen Besuch Rudolphs im September im Amtsgebäude traf er zufällig auf Spicker, der schon von Weitem rief: Rudolph, ich habe die Rechnung zum Mühlenkauf 1990 gefunden; das ist ein Witz, denn wir finden hierzu keinen Notarvertrag, wahrscheinlich gibt‘s da gar keinen. Kein Wunder, dass die Umschreibung im Grundbuch nicht erfolgt ist und dort als Mühleneigentümer immer noch steht „Eigentum des Volkes, VEB Denkmalpflege Cottbus“. Kurzum „Die Mühle gehört uns bzw. der Gemeinde nicht!“

Damit war die Mühle quasi herrenlos geworden, im Amtsdeutsch hieß das „ungeklärte bzw. offene Eigentumsfrage“. Die Klärung dieser Eigentumsfrage sollte dann noch vier lange Jahre dauern und und einige Rechtsanwälte beschäftigen und gut verdienen lassen.


Fortan war ich mit der Mühle auf mich selbst angewiesen, denn Gemeinde und Amtsverwaltung lehnten jegliche finanzielle Unterstützung der Mühle ab mit der Begründung, „die Mühle gehört uns ja nicht, und wir können kein Geld ausgeben für etwas, was uns nicht gehört.“ Amtsdirektor Elmar Spicker weigerte sich sogar, für die Mühle eine Feuerversicherung über die Gemeinde abzuschließen, obwohl ich mich schriftlich verpflichtet hatte, die Versicherungsprämie aus Vereinsmitteln zu bezahlen. Also war ich gezwungen, die Mühle ab 1996 selber zu versichern. Ich hätte das zwar nicht gemusst, aber das Risiko im Falle eines Brandschadens erschien mir einfach zu groß.





Die ungeklärte Eigentumsfrage zur Mühle hatte zahlreiche negative bis tragische Folgen; die wichtigsten waren:

- Obwohl das Brandenburgische Wirtschaftsministerium im Oktober 1995 114.000 DM zweckgebunden für die Mühle ausgereicht hatte und die Mühle kurz darauf wegen angeblicher Einsturzgefahr des Mühlenturmes teilweise behördlich gesperrt wurde, verweigerte Amtsdirektor Spicker das Geld zur Notsicherung des Mühlenturmes;

- Sämtliche Fördermittelanträge, die ich bei diversen Ämtern und Einrichtungen wie z.B. Ostdeutsche Sparkassenstiftung, Deutsche Stiftung Denkmalschutz und Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Dahme-Spreewald 
zur Sanierung der Mühle eingereicht hatte, wurden bis 1998 abgelehnt mit der Begründung: „Die Mühle erfüllt mangels Eigentümernachweis nicht die Kriterien der Fördermittelvoraussetzungen.“

Dieses Verhalten von Amt, Gemeinde und Bürgermeister in schwierigster Situation habe ich nie vergessen.

Da die Eigentumsfrage durch die beauftragten Rechtsanwälte (u.a. RA Niemann & Partner, Lübben) vier Jahre lang nicht geklärt werden konnte, erließ die Oberfinanzdirektion Cottbus (Dr. Franke) im Einvernehmen mit dem Bundesamt für vereinigungsbedingtes Sondervermögen (BvS) im Oktober 1998 einen "Bescheid zur unentgeltlichen Zuordnung des ehemaligen Volkseigentums an der Mühle in das Eigentum der Gemeinde Straupitz". Somit war die Mühle ein Geschenk der Bundesrepublik an Straupitz, und der 1990 von der Gemeinde gezahlte Kaufpreis von 49.396,20 DM völlig unsinnig und zum Fenster rausgeworfenes Geld.


29. September 1995 - Gründung der „Straupitzer Mühlenfreunde“

Der Straupitzer Heimat- und Fremdenverkehrsverein (HFVV) veranstaltet im Ort den "Michaelismarkt". Ingrid Walter, Vorsitzende des HFVV hatte mir vorgeschlagen, dafür auch die Mühle für Besucher zu öffnen, was ich bereitwillig machte. Der Eintritt ist kostenlos.
Die unverputzten Wände der Kornmühle im Mühlenturm dekorierten wir mit Bildern vom "Straupitzer Erntetag", den der HFVV organisiert hatte. Klaus Rudolph führt die zahlreichen Gäste unentwegt durch die Mühle. Die Mühlenfreunde Florian Radüchel, Sara Schaarschmidt, Ina Goldau (alle Berlin) und Rüdiger Hagen (Brelingen/Wedemark b. Hannover) sind zur Unterstützung angereist und betätigen sich als Müller. Sie schroten mit dem alten Mahlgang ca. 1 Tonne Roggen, den K. Rudolph bei Herrn Koschel (Kirchstraße Straupitz) besorgt hatte. Abnehmer des Tierfutters ist die Ostra GmbH Neu Zauche. Dabei wird voller Inbrunst der wieder gängig gemachte Bremsfahrstuhl benutzt, denn ein solcher ist mittlerweile recht selten geworden in Deutschland.


Meine Tochter Ilka Rudolph (Bild links) hatte im ehemaligen Kesselraum einen Stand aufgebaut und verkaufte eigenen selbstgebackenen Kuchen und Spreewälder Gurken. Ein sehr gelungener Tag, der die zahlreichen Besucher zum Staunen und die Mühle wiederum ins öffentliche Gespräch und Bewusstsein gebracht hat als eine sehr erhaltenswerte Sache, die weiter forciert werden sollte. Am Abend in geselliger Runde in der kalten Müllerstube gründen Sara Schaarschmidt, Florian Radüchel, Ina Goldau, verh. Hänsch-Goldau und Rüdiger Hagen (Bild oben rechts, v.l.n.r.) und Klaus Rudolph ganz spontan den „Verein Straupitzer Mühlenfreunde“. Später war Dr. Jochim Varchmin, Geschäftsführer der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V., bereit, den Straupitzer Verein als Ortsgruppe in die Mühlenvereinigung zu integrieren. Somit wurde der Vorläufer des 2 1/2 Jahre später (01. April 1998) gegründeten „Mühlenverein Holländermühle e.V.“ geschaffen.

In den nächsten Tagen wurden Heinz Jank (am 30.09.95), Ilka und Heidemarie Rudolph (am 22.10.1995) ebenfalls Mitglieder dieses „Vereins“, der rechtlich gar keiner war.


7. Okt. 1995 - Fördergelder für die Mühle?

Hartmut Heilmann, Abt.-Leiter für Tourismusentwicklung im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg in Begleitung des Tourismusausschusses im Amt „Oberspreewald“ (Vorsitzende Frau Jutta Slotta ✝, Sacrow) besucht auf meine Bitte hin die saukalte Mühle. Das Amt „Oberspreewald“ hatte nämlich mit dem Projekt „Seniorengerechter Tourismus im Amt Oberspreewald“ ein Preisgeld in Höhe von 500.000 DM gewonnen, welches zur Tourismusförderung von o.g. Ministerium ausgelobt worden war. Dieses Tourismusprojekt war von einer Berliner Marketingfirma in Zusammenarbeit mit dem Amt-Tourismusausschuss erarbeitet worden. Mit dem Preisgeld sollten für den Seniorentourismus neue „Attraktionen“ geschaffen werden wie Minigolf-Anlage (Neu Zauche), Freilandschach und Begegnungshaus (Waldow), Kräutergarten mit landwirtschaftlicher Übungsfläche (Sacrow), Boccia-Platz (Straupitz), drei Naturlehrpfade, drei in Heuschobern gebaute Strandkörbe u.a.m. Doch obwohl auch der Straupitzer Bürgermeister Rekitt im Tourismusausschuss vertreten und an der Projekterarbeitung mit beteiligt war, kam die Mühle in dem Tourismusprojekt nicht vor. Als ich davon erfuhr, kochte ich vor Wut und verlangte, dass sich der Tourismusausschuss die Mühle wenigstens mal von inne ansehen solle.

Herr Heilmann zeigte sich von den in der Mühle vollbrachten ABM- Leistungen, dem zusätzlichen ehrenamtlichen Engagement und der möglichen Perspektive der Mühle als Touristenattraktion stark beeindruckt. Ich wies darauf hin, dass die Mühle keine Aufnahme in dem preisgekrönten Objekt gefunden hatte und demzufolge vom Preisgeld nichts abbekommen würde. Dies wäre umso bedauerlicher, weil die Mittel und Möglichkeiten der ABM begrenzt seien und keinesfalls ausreichen würden, um die erheblichen Schäden an der Bausubstanz der Mühle zu beheben oder einzudämmen. Daraufhin wurde in Auswertung dieses Besuches im Wirtschaftsministerium entschieden, das Preisgeld von 500.000 DM nachträglich um zusätzliche 114.000 DM zweckgebunden für die Straupitzer Mühle aufzustocken.

Aber genutzt hat es mir und der Mühle nichts, denn auf Weisung von Amtsdirektor Spicker wurde das Geld jahrelang zurückgehalten mit der Begründung: „Wir können kein Geld ausgeben für etwas, was uns oder der Gemeinde nicht gehört.“ Lediglich für die Finanzierung zur Wiederbeschaffung eines historischen Hydraulikaggregats für die Ölmühle konnte ich Herrn Spicker zu einem Kompromiss bewegen, indem das Amt die Anschaffungskosten erst einmal verauslagte und sich das Geld dann nach Klärung der Eigentumsfrage an der Mühle von der Gemeinde bzw. aus deren Fördergeldern für die Mühle zurück geholt hat.

Ironie der Geschichte: Von den realisierten o.g. Einzelvorhaben, die mit dem 500.000 DM-Preisgeld für das Projekt „Seniorengerecher Tourismus“ realisiert wurden, ist heute kaum etwas übrig geblieben. Die meisten sind nicht mehr vorhanden oder fristen ein Schattendasein. Kein einziges hatte die touristische Entwicklung im Amtsbereich positiv beeinflussen können. Lediglich die Straupitzer Holländermühle ist zum tatsächlichen Tourismusmagnet und -motor geworden mit konstant mehr als 30.000 Besuchern jährlich. Allerdings war die Mühle im prämierten Tourismusprojekt überhaupt nicht erwähnt bzw. vorgesehen und komplett vergessen worden.


Oktober 1995 - Die Ölmühle ist fast fertig rekonstruiert

Die Fortschritte bei der Rekonstruktion der Ölmühle waren beachtlich: Von Januar bis März waren sämtliche Maschinen in ihre Einzelteile zerlegt worden und von den Frauen in mühseliger Handarbeit entrostet worden. Dabei wurden unzählige Packen Sandpapier verbraucht. Auf manchen Maschinen wie der Ölpresse saß der steinhart gewordene „Leinöldreck“ zentimeterdick und konnte nur mit Hammer und Meißel entfernt werden. Ähnlich schlimm war der Ziegelfußboden, auch hier dicke und ausgehärtete Dreckkrusten. Um den Frauen die Reinigung zu erleichtern, kaufte Rudolph einige Flaschen Salzsäure und goss diese auf die Ziegeln. Trotzdem musste noch wochenlang mit Spachtel und Meißel geschabt werden.

Auch der Röstofen samt Rührwerk ist wieder intakt; da war vorher viel kaputt. Am Ofen waren etliche Ziegeln ausgebrochen, die Mörtelfugen teilweise ausgefault und der Ascherost durchgeglüht und zerfallen. Rudolph besorgte neue Roste aus alten Kohlebadeöfen der AWG-Wohnungen im Weidenweg, die gerade modernisiert wurden. Der E-Motor für das Rührwerk war nicht mehr vorhanden, Rudolph bestellte bei der Fa. Strebe aus Straupitz einen neuen. Auch der elektrische Lüfter vom Wrasenabzug im Ölmühlendach fehlte, konnte aber im alten Pferdeschuppen entdeckt werden. Zach und Rudolph machten ihn wieder gängig und bauten ihn ein.

Der Fuchs vom Röstofen zum frei stehenden Schornstein auf dem Mühlenwall war eingefallen bzw. nicht mehr vorhanden und wurde von D. Zach und K. Rudolph komplett neu gemauert.

Die Hydraulikpresse war ein besonders „schwieriger Fall“. Nicht nur B. Wenzel war äußerst skeptisch: „Dieses Teil bekommen wir nie auseinander genommen.“ Also ging Rudolph zu Willy Nowak, dem letzten Müller, und ließ sich die Presse erklären. Danach klappte es, obwohl sich die Demontage der festgerosteten und angebackenen Teile recht mühsam und kraftraubend gestaltete. Besonders schwierig und nicht ungefährlich war die Herausnahme des zentnerschweren Presskolbens mit primitivem Hebezeug. Für Rudolph aber galt immer die Devise: „Geht nicht gibt‘s nicht!“

Der Presskolben musste aber unbedingt heraus, um an die Lederdichtmanschette heran zu kommen, die völlig zerschlissen und undicht war. Mit der kaputten Manschette als Muster fuhr Rudolph nach Cottbus zur Firma „Gummi & Asbest“ in der Adolph-Kolping-Straße und bestellte mehrere neue Manschetten zum Stückpreis von rund 300,- DM (Einzelsonderanfertigung). Der Einbau der neuen Manschette war auch wieder sehr schwierig.

Erhebliche Schwierigkeiten machte die teilweise Demontage des Kuchenbrechers, um an die festsitzenden Getriebezahnräder im Innern heranzukommen. Es schien fast unmöglich, die Riemenscheiben vom Brecher abzuziehen, weil die von der Fa. Kfz-Baltin ausgeliehenen Abzieher allesamt nicht passten bzw. versagten. Schließlich wurde selbst ein passender Abzieher gebastelt, und der Brecher konnte auseinander genommen werden. Dabei fand sich eine mumifizierte Ratte im Getriebe.

Auch der Quetschwalzenstuhl und die Ölsaaten-Mischtrommel wurden entrostet, aufgearbeitet und wieder funktionstüchtig hergerichtet sowie die Transmissionsriemen teilweise erneuert (Sattler Bräuer aus Stradow bei Vetschau).
Die teilweise angefaulten und undicht gewordenen Holzbeuten bzw. -kisten für Ölsaaten und Ölkuchenmehl wurden von Bernd Wenzel ausgebessert. Die Wände in der Ölmühle waren feucht und hatten keinen Putz mehr. Im Frühjahr und Frühsommer mit wärmeren Temperaturen fanden sich in den Mauerfugen unzählige schwarze und braune Nacktschnecken. D. Zach sammelte sie jeden Tag ein und hatte manchesmal ein Konservenglas voll damit.

Alle Wände der Ölmühle und im Kesselraum waren von D. Zach, D. Mück, I. Kasprick und K. Rudolph neu verputzt und mit Weißkalk gemalert worden, was sich wegen der primitiven selbst hergestellten „Rüstung“ mitunter recht schwierig gestaltete - vor allem hinter und über den Maschinen.



Auch waren in der Ölmühle und im Kesselraum alle Fenster für ca. 8.000 DM erneuert worden (Stellmacherei Konzack, Kastanienallee), allerdings ohne Scheiben. Da für das Glas kein Geld vorhanden war, fuhr Rudolph mit seinem Privat-PKW und Irene Kasprick zur ehemaligen LPG-Gärtnerei in der Kirchstraße, wo Irene Kasprick früher mal gearbeitet hatte und die mit dem Ende der DDR stillgelegt wurde und seither leer stand. Die Gewächshäuser waren teils schon sehr kaputt, deshalb hatte Rudolph keine Skrupel, die notwendigen Glasscheiben für die Mühlenfenster mitgehen zu lassen. Bernd Wenzel und Irene Kasprick betätigten sich dann nach Anleitung als Glaser. Den Fensterkitt sponserte Stellmacher Konzack aus vermutlich
20 Jahre alten und verhärteten Altbeständen. Mit Firnis und viel Kneten wurde der Kitt wieder brauchbar.


Anschließend haben wir das ehemalige Kesselhaus zwischen Öl- und Sägemühle als Schauraum ausgestaltet und nach meiner Idee und Konzeption - ergänzend zur Ölmühle und deren Rohstoff - eine kleine Ausstellung zum Thema "Flachs und Leinen" eingerichtet. Die Exponate hierfür habe ich unentgeltlich von einem Bauern in Burg (Spreewald) erworben.

Als dieses alles soweit fertig war, habe ich die "Ostra GmbH" in Neu Zauche mit der Elektroinstallation beauftragt. Dabei wurden die Anschlüsse für Maschinen, Steckdosen und Beleuchtung komplett erneuert. Zugleich wurden in Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde in der Ölmühle einige Spotleuchten installiert zur besseren Ausleuchtung der Maschinen mit Blick auf die künftige Nutzung als museale Schauproduktion. Dafür war die alte Beleuchtung mit einer einzelnen Hängelampe in der Mitte der Ölmühle völlig unzureichend. Die Elektroarbeiten wurden von Paul Schulze (✝) und seinem Mitarbeiter „Heiner“ aus Briesensee ausgeführt. Dabei verliebte sich Paul Schulze in die alte Mühle; er wurde später ebenfalls Mitglied im Mühlenverein und dessen Vorstand.

Eigentlich wäre die alte Ölmühle jetzt wieder funktionstüchtig, aber noch fehlte ihr „Herz“: das Pumpwerk - bzw. -aggregat zum Antrieb der hydraulischen Ölpresse.


Die fast unglaubliche Story zum Hydraulikaggregat der Ölmühle

Seit Monaten hatte Werner Hensel, der Geschäftsführer des ABM-Trägerbetriebes, bei jedem Zusammentreffen mit K. Rudolph die stereotype Frage gestellt: „Rudolph, wann fließt denn das erste Leinöl in Straupitz?“ Obwohl diese Frage vermutlich wohl nur als provokativer Ansporn gemeint war, brachte sie doch die Sache auf den Punkt: die ABM-Zielstellung wäre nur dann zu 100 % erfüllt, wenn die Ölmühle tatsächlich wieder funktioniert und Leinöl liefert. Allerdings brachte diese Frage Rudolph immer aufs Neue in Verlegenheit, denn an der hydraulischen Ölpresse fehlte das Pumpenaggregat. Dieses aber war laut Aussage von Willy Nowak, dem letzten Müller, nach Stillegung der Ölmühle ausgebaut und an den „VEB Pharmazeutisches Werk Gröditsch“ verkauft worden.


Also fuhr mit meinem Auto auf eigene Kosten nach Gröditsch, aber vergeblich: das Aggregat soll dort angeblich nie zum Einsatz gekommen und im Schrott gelandet sein. Danach fragte ich bei mehreren Firmen nach einem historischen Pumpenaggregat an, unter anderem bei „Pumpen-Wesner“ in Lübben, bekam aber überall eine Absage. Allerdings hörte ich dabei mehr durch Zufall und „über drei Ecken“ den Namen „IBS Industrie- und Bergsicherung GmbH“ in Kolkwitz und nahm mit deren Geschäftsführer Schieweck Kontakt auf. Schieweck meinte, dass er ein solches Aggregat aus alten Teilen von irgendwelchen Tagebaugeräten zusammenbauen könnte. Doch konnte ich mich für diesen Vorschlag nicht recht erwärmen und erzählte Schieweck, was ich durch Willy Nowak von dem verschwundenen Aggregat wusste: dass es sich um eine zweistufige Doppelkolbenpumpe gehandelt haben soll mit gusseisernem Behälter für das Hydraulikmedium (damals ein Gemisch aus Wasser und Bohremulsion), Leistung ca. 400 bar (atü), gebaut von Firma Emil Schoppe in Cottbus, Ewald-Haase-Straße (gegenüber der Sandower Feuerwache).

Schieweck zeigte sich vom Gesamtvorhaben recht begeistert und versprach zu helfen. Sodann forschte er nach der ehem. Firma Schoppe, die wohl schon seit Ende der 1960er Jahre nicht mehr existierte. Dabei stieß er auf den seinerzeitigen Altmeister von Schoppe, einen gewissen Donay. Der Kontakt mit Donay soll sich recht schwierig gestaltet haben (Alkohol), allerdings wusste Donay noch einige Firmen, die bei Schoppe eine solche Pumpe bestellt hatten. Schieweck recherchierte weiter und fand die einzige noch existierende Firma der von Donay genannten heraus: die Mosterei Ernst Buchwald in Cottbus-Ströbitz, Ernst-Barlach-Straße (existiert heute noch). Tatsächlich benutzte Buchwald noch eine originale Schoppe-Pumpe, Baujahr um 1935, für seine Obstpresse zum Entsaften, allerdings war sie „völlig fertig“ und brachte nur noch ca. 50 Atü (Bar). Für Apfelsaft war das ausreichend, zum Leinölpressen aber sind 300 - 400 Atü (Bar) erforderlich. Laut Donay waren die zweistufigen Pumpwerke von Schoppe aber bis zu 500 Atü ausgelegt.


Schieweck machte dem Buchwald das Angebot, ihm die Pumpe abzukaufen und dafür ein Ersatzaggregat zu liefern und einzubauen. Buchwald war einverstanden. Daraufhin erstellte Schieweck an Rudolph ein schriftliches Angebot zur Installation des Hydraulikaggregates zum Preis von 17.200,- DM (worin natürlich der Aufwand für das neue Buchwald’sche Aggregat enthalten war). Nun war guter Rat teuer, denn diese Investition war im Finanzierungsplan der ABM bzw. des ABM-Trägerbetriebes „Spreewald-Land e.V.“ nicht vorgesehen und auch nach Rücksprache mit dem Arbeitsamt, welches die Sachkosten für die ABM bewilligt und zur Verfügung gestellt hatte, nicht möglich. Aber ohne Hydraulikaggregat war die Ölpresse nicht zu betreiben und der Gesamterfolg der ABM - Leinöl aus der Straupitzer Mühle - nicht zu realisieren.

In dieser Situation spielte ich Vabanque und bestellte „auf eigene Faust und Gottvertrauen“ bei Schieweck das Aggregat. Ein Grund dafür war auch die Zuweisung des Brandenburgischen Wirtschaftsministeriums von fast 115.000,- DM - zweckgebunden für die Mühle aus einem Preisgeld für die Tourismusförderung. Ich ging davon aus, hiervon das Geld für die Pumpe zu bekommen.

Schieweck ließ also für Buchwald eine neue Hydraulikpumpe bauen und nahm Buchwalds Schoppe-Aggregat mit in seine Werkstatt nach Kolkwitz. Dort wurde es von dem Mitarbeiter Wagner generalüberholt und mit neuer Farbe versehen. Recht schwierig soll die Beschaffung von neuen Tropfölern mit Schauglas gewesen sein. Sodann begann der Einbau in der Straupitzer Ölmühle durch den Monteur Wagner von "IBS Kolkwitz". Hierfür war in Kolkwitz ein Rahmen zur Halterung des E-Motors an der Wand über dem Hydraulikaggregat angefertigt worden. Wegen Befürchtungen zur Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen einigten sich Schieweck und Rudolph darauf, Speise-Rapsöl statt Hydrauliköl als Druckmedium zu verwenden, weshalb Schieweck bei der Fa. Kunella in Cottbus 100 ltr. Rapsöl bestellte. Das Rapsöl erwies sich später aber wegen Veresterung und Verklebung der Ventile als völlig ungeeignet und musste ersetzt werden.



Beim ersten Probelauf der Pumpe platzte die Druckleitung bei ca. 300 bar. Monteur Wagner stand so ungünstig, dass er den ganzen Rapsöl-Strahl abbekam und von Kopf bis Fuß triefte wie eine Ölsardine. Letztlich aber wurde es geschafft, und die Pumpe funktionierte. Mangels Leinsamen wurden für die ersten Druck- bzw. Pressproben behelfsmäßig ein paar Kanthölzer aus Kiefer zerquetscht.

Nun stand der Einweihung der Ölmühle fast nichts mehr im Wege, es fehlte nur noch der Leinsamen. Allerdings war dieser im Sachkostenplan der ABM nicht enthalten. Also fuhr ich wieder mal mit meinem Auto zur BÄKO nach Butzen, die damals eine Filiale auf dem Gelände des ehemaligen "VEB Gartenbaubetrieb" hatte, kaufte 100 kg Bäckerleinsaat und bezahlte den aus eigener Tasche vom Gehalt in Höhe von 1.800,- DM brutto. Verrückt, aber ich wollte den unbedingten Erfolg!


6. Dezember 1995 - Behördliche Sperrung der Kornmühle (Mühlenturm)

Völlig unangekündigt erschien Herr Hinz vom Bauordnungsamt des Landkreises in Begleitung von Herrn Kirscht, Bauamtsleiter der Straupitzer Amtsverwaltung „Oberspreewald“, in der Mühle und erklärte, dass er die Bauschäden im Mühlenturm wegen möglicher „Gefahren für Leib und Leben“ besichtigen und einschätzen möchte, welche am Tag zuvor durch das Amt „Oberspreewald“ angezeigt wurden. Herr Hinz nahm einen langen Nagel, stocherte in die Auflager der Deckenbalken im Mauerwerkes (Balkenköpfe) und stellte dabei mit Schreiben vom 07.12.1995 an die Amtsverwaltung fest, dass „die Auflagerbereiche bereits vollständig verfault oder sehr stark geschädigt sind. Die Standsicherheit der oberen Geschossdecken ist nicht mehr gegeben. Beim Betreten der Mühle können Personen gefährdet werden.“ Vorgenanntes Schreiben enthielt folgende behördliche Auflagen:

„1. Das Betreten des Hauptgebäudes der Holländer-Mühle wird in den oberen Geschossen untersagt. Die oberen Geschosse sind abzusperren. Das Betreten ist noch in den Gebäudeanbauten und im Untergeschoß des Hauptgebäudes der Holländer-Mühle zulässig. Die Realisierung der Absperrmaßnahmen ist dem Bauordnungsamt schriftlich durch die Gemeinde anzuzeigen.

2. Die Eigentümerin (Gemeinde Straupitz) hat sofortige Überprüfungen zur Standsicherheit (Schwerpunkt Holzbauteile) durch einen Bausachverständigen einzuleiten. Die Einschätzung zur Standsicherheit ist ... bis zum 03.01.1996 zu übergeben.

3. In Abhängigkeit der konkreten Begutachtung und Einschätzung werden durch das Bauordnungsamt weitere Entscheidungen getroffen.“

Quelle: Schreiben vom 07.12.1995 des Bauordnungsamtes Landkreis Dahme-Spreewald an Amt „Oberspreewald“



7. Dezember 1995 - „Mörder!“

An selbigem Tage schickte der Straupitzer Bauamtsleiter Kirscht den für das Amt „Oberspreewald“ tätigen Architekten Wein (Berlin) in die Mühle zur weiteren Begutachtung und Ausarbeitung von Maßnahmen gem. der Auflagen des Bauordnungsamtes des Landkreises. Herr Wein trat äußerst herrisch und arrogant auf; er verlangte von mir eine Leiter zur Begutachtung der Deckenbalken, was ich aber aus Verärgerung ablehnte: „Sie können hier untersuchen, was sie wollen, aber ohne mich!“

Wein geriet außer sich, schimpfte lautstark und schrie mich an: „Sie Mörder setzen das Leben der ABM-Mitarbeiter bewusst auf‘s Spiel!“ Wein verlangte, sofort den alten Bremsfahrstuhl außer Betrieb zu setzen und dafür den Antriebsriemen abzunehmen, um Erschütterungen vom Mühlenurm fernzuhalten wegen angeblich „drohender Einsturz- und Lebensgefahr“.
Aber ich dachte gar nicht daran, den Riemen abzunehmen.

Am Nachmittag erschien Bauamtsleiter Kirscht höchstselbst in der Mühle, um die von Wein empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen zu realisieren. Dazu hatte er zwei Mitarbeiter der Dorfverschönerungs-ABM mitgebracht, die unter Kirschts Anleitung mit mitgebrachten Brettern, Latten, Nägeln und eigenem Werkzeug die untere Treppe im Mühlenturm verbarrikadierten, um den Zugang nach oben zu verhindern. Herr Kirscht unterband auch die Benützung des Fahrstuhls, indem er das Steuerseil und die Fahrstuhltür in der unteren Etage mit einer Schnur von außen an der Fahrstuhlverkleidung festband. Damit auch niemand die Schnur lösen konnte, verklebte Kirscht beide Schnurenden fest miteinander mit einer selbst gefertigten Banderole aus Papier mit Datum, Unterschrift und Dienstsiegel. Zum Schluss tackerte Kirscht ein handschriftliches Betretungsverbot an dir verbretterte Treppe (siehe Faksimile links).


Donnerstag, 14. Dezember 1995 - Öffentliche Wiedereinweihung der rekonstruierten Ölmühle mit Schikane der Amtsverwaltung

Die Ölmühle war fertig rekonstruiert und hatte den Probebetrieb erfolgreich bestanden. Ihre öffentliche Wiedereinweihung war von Rudolph in Abstimmung mit dem ABM-Träger für den 14. Dezember, 13 Uhr vorgesehen mit Einladung zahlreicher Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Tourismus sowie Presse, Funk und Fernsehen. Auch Amtsdirektor Spicker war geladen, ebenso das ORB-Fernsehen (Vorläufer von RBB - Radio Berlin-Brandenburg). Alle ABM-Mitarbeiter hatten voll zu tun mit den Vorbereitungen der Einweihungsfeier. In der Ölmühle wurde der notwendige Leinsamen gequetscht und mit Wasser konditioniert und der Röstofen angeheizt. Wegen der winterlichen Kälte von -5 °C wurden die Pressformen in der Röstpfanne vorgewärmt und ein bei der „Ostra“ in Neu Zauche gekauftes Gasheizgebläse zum Anwärmen der Hydraulikpresse aufgestellt (erst Jahre später beschaffte Rudolph einen gusseisernen Kanonenofen zum Heizen der Ölmühle). In Eigenregie und auf eigene Kosten wurde ein kleines kaltes Buffet angefertigt (belegte Brötchen, Spreewaldgurken, Getränke) und in der untersten, noch nicht gesperrten Etage des Mühlenturmes am Eingang zur Ölmühle aufgebaut. Für die Organisation und Betreuung des Buffets hatte sich die Ehefrau des Projektleiters, Heidemarie Rudolph, ehrenamtlich zur Verfügung gestellt. Tischdecken und Geschirr wurden privat bzw. von Zuhause mitgebracht.

Gegen 11 Uhr, also zwei Stunden vor der Ölmühleneinweihung, erschien Werner Kuschy, Mitarbeiter im Bauamt Straupitz, in der Mühle und übergab Rudolph die schriftliche Anordnung der Amtsverwaltung zum sofortigen Betretungsverbot des bis dato noch begehbaren Untergeschosses des Mühlenturmes. Kuschy ließ sich den Erhalt des Schreibens schriftlich quittieren. Offensichtlich waren Amtsdirektor Spicker und sein Bauamtsleiter Kirscht auf Betreiben von Wein der Meinung, dass die Festlegung des kreislichen Bauordnungsamtes, die das Betreten des Untergeschosses noch gestattet, zu lasch wäre, um das Leben des Amtsdirektors und der anderen Gäste bei der Ölmühleneinweihung zu schützen. Der kurzfristige Termin war wohl von Spicker und Kirscht bewusst gewählt, um Rudolph wegen seiner offenen Verweigerungshaltung gegenüber der Turmsperrung zu maßregeln und „Stärke“ zu zeigen.

Die praktische Konsequenz des vollständigen Betretungsverbots sämtlicher Etagen der Kornmühle (Mühlenturm) einschließlich Sackboden bzw. Untergeschoss war die, dass man den Haupteingang der Mühle vom Hof her nicht mehr benutzen konnte. Ölmühle, Sägewerk, Motorraum und Müllerstube (Aufenthaltsraum) waren nur noch durch den Hintereingang am Kesselraum erreichbar. Zwischen Ölmühle und Motorraum bzw. Müllerstube musste immer der Umweg durch das Sägewerk genommen werden, da die kürzere Verbindung durch die Kornmühle gesperrt war.
Aber anders als Wein und die Amtsverwaltung fand Rudolph deren hysterische Einsturz- und Lebensgefahrtheorie maßlos übertrieben und sachlich unbegründet. Deshalb nahm er die erweiterte Sperrungsverfügung zur Kenntnis und unternahm .... nichts. Das kalte Buffet blieb im EG des Mühlenturms (Sackboden) vor der Tür zur Ölmühle stehen.


Hinzu kam, dass ein Fernsehteam vom damaligen ORB (Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg, jetzt RBB) seit
10 Uhr durch die ganze Mühle wuselte, viel Platz für sich und die Aufnahmetechnik beanspruchte und ständig was von Rudolph wollte.

Pünktlich 13 Uhr war die eiskalte Mühle voll mit Gästen, und die Einweihung und Wiederinbetriebnahme der Ölmühle nach mühevoller einjähriger ABM-Arbeit konnte beginnen. Nach einer kurzen Begrüßung nahm Rudolph das erwärmte bzw. geröstete Leinsamenmehl aus der Pfanne, füllte es in die beiden Pressformen, wuchtete diese in die hydraulische Ölpresse und schaltete das Pumpaggregat ein. Sodann drehte Bürgermeister Rekitt auf Rudolphs Zeichen (nach vorangegangener Einweisung) mit der Handkurbel das Hydraulikventil zu und setzte somit die Presse in Gang. Das Pumpwerk stampfte und baute kontinuierlich Pressdruck auf, ab ca. 100 bar floss das erste „offizielle“ Leinöl in den Eimer - unter großem Beifall der Gäste. Nach ein paar Ansprachen bat Rudolph zum kalten Buffet nebenan in der Kornmühle. Aber der mit anwesende Amtsdirektor Elmar Spicker protestierte, verwies auf die behördliche Sperrung vom Vormittag und untersagte das Betreten der Kornmühle wegen angeblicher „Lebensgefahr“. Rudolph reagierte prompt und ließ die Tische mit dem kalten Buffet von seinen Mitarbeiter in den Kesselraum tragen; der Nachmittag war gerettet - trotz Schikane und Störaktion der Amtsverwaltung und des Amtsdirektors.


19. Dezember 1995: Die ABM wird um ein Jahr verlängert, doch neuer Frust

Zu Arbeitsbeginn überbrachte Peter Schurwanz, Projektbetreuer des Trägerbetriebes, die Bewilligung des Arbeitsamtes Cottbus zur Verlängerung der Mühlen-ABM bis 18.12.1996 unter der neuen ABM-Nr.: 926/95. Die Beschäftigten blieben wie bisher, nur die Hauptzielstellung wurde verändert in „Sanierung und Rekonstruktion der Sägemühle“. Sodann übergab Schurwanz an Rudolph ein recht unerfreuliches Schreiben.

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Anweisung zum Nichtbetreten des Mühlenturms (Rundbau)

Ab sofort wird den Beschäftigten das Betreten des Mühlenturms untersagt. Zutrittsbegehren fremder Personen ist nur bei Vorlage einer schriftlichen Genehmigung des Bauamtes mit Unterschrift von Herrn Kirscht zu gewähren. Der Besuch ist schriftlich festzuhalten und vom Besucher gegenzuzeichnen. Die Zuwiderhandlung dieser Anweisung kann mit einer fristlosen Entlassung geahndet werden. Die Weisung gilt bis zu einer erneuten schriftlichen Weisung bzw. Aufhebung.
gez. Hensel, Geschäftsführer Spreewald-Land e.V. Lübben


------------- Zitatende --------------------

Obwohl diese Weisung offiziell nie aufgehoben wurde, hat sich Rudolph nicht dran gehalten - schon allein zum Öffnen der Fenster im Mühlenturm wegen der hohen Feuchtigkeit des Mauer- und Balkenwerks. Seltsamerweise aber kamen ein paar Monate später ohne vorherige Ankündigung und Absprache einige „Dorf-ABMer“ im Auftrag der Amtsverwaltung (Bauamt) und bauten die Verbretterung der Treppe in die oberen Etagen des Mühlenturms wieder ab.

---- Fortsetzung -> Teil II / Fazit ---


Glück zu!
Klaus Rudolph

Dateianlage:
Chronik 1994-1996, Teil 1 Wiederherstellung der Ölmühle 1995.pdf
Klaus Rudolph
Administrator


Beiträge: 47

20.12.2016 15:34
#2 Bilder zur offiziellen Wiedereinweihung der Ölmühle Zitat · Antworten

Hier ein paar Fotos vom 14. Dezember 1995; Fotograf: A. Wawro, Cottbus


Links außen: Lothar Baltin (Kfz-Werkstatt) im Gespräch mit Dieter Zach (ABM); rechts außen: Klaus Rudolph (ABM-Projektleiter)


Bildmitte in Hockstellung: Bürgermeister W. Rekitt, rechts daneben hockend ein Kameramann vom ORB-Fernsehen (heute RBB)


Dieter Zach (ABM, ganz links), Bernd Wenzel (ABM) setzt die mit warmer Leinsaat gefüllte Pressform ein


Klaus Rudolph (rechts) übergibt den ersten offiziellen Leinkuchen (Pressrückstand) an Bürgermeister Winfried Rekitt


Ende der Veranstaltung: die Gäste kommen aus dem Hintereingang neben der Ölmühle;
der Haupteingang auf der Hofseite durch die Kornmühle war
wegen Baufälligkeit des Mühlenturmes behördlich gesperrt worden.
Auf dem Bild sieht man links noch das alte Trafohaus, den Pferdeschuppen
und die elektrische Freileitung an der Laasower Straße (alles verschwunden).


Glück zu!
Klaus Rudolph

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