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Dieses Thema hat 0 Antworten
und wurde 376 mal aufgerufen
 Zur Geschichte der "Dreifach(wind)mühle"
Klaus Rudolph
Administrator


Beiträge: 47

15.08.2017 12:10
Die alte Handölpresse Zitat · Antworten

Zur Geschichte der Straupitzer Handölpresse
Copyright by Klaus Rudolph, Cottbus 2017

Im früheren Kesselraum (heutiger Ausstellungsraum direkt neben der alten Ölmühle) der Straupitzer Holländerwindmühle ist eine kleine handbetriebene Ölpresse ausgestellt.

Diese wurde kurz nach Ende des 2. Weltkrieges von einem Berliner Reichsbahnschlosser gebaut, mit der er heimlich Raps- und Leinöl für die eigene Familie und gute Bekannte herstellte. Der Antrieb erfolgt per Handkurbel mit reiner Muskelkraft, das macht keinen Krach und war damals sehr wichtig, weil das "Schwarzpressen" von Speiseöl ebenso wie das heimliche Schnapsbrennen und Schweinschlachten von den alliierten Besatzungsmächten verboten und mit drastischen Strafen belegt wurde. Zu der Presse gehört noch ein kleines, elektrisch angetriebenes Mahlwerk mit zwei Stahlwalzen, mit dem die Ölsaat vor dem Pressen aufgebrochen bzw. zerquetscht wurde. Presse und Mahlwerk versteckte der Schlosser in seiner Gartenlaube im Schichauweg in Berlin-Lichtenrade (Gartenkolonie direkt an der Grenze zu Brandenburg) und presste dort heimlich Pflanzenöl. Der Pressbehälter fasst etwa 1,5 kg Leinsaat und lieferte bei einer Pressung ca. 1/3 l Öl. In der damaligen schlechten Zeit wertvoller als Gold, denn das kann man nicht essen. Wie lange die Presse dann so genutzt wurde, ist nicht bekannt.

Mitte der 1990er Jahre verstarb der Eisenbahnschlosser und seiner Witwe war das "alte schwere Teil" im Wege. Doch einfach so in den Schrott schmeißen wollte sie es auch nicht, war doch die Handpresse ein seltenes Zeugnis zur Selbstversorgung der Berliner Bevölkerung in der schweren Nachkriegszeit. Also bot sie das seltene Stück dem Deutschen Technikmuseum Berlin an, aber der für solche Dinge zuständige Abteilungsleiter, Dr. Jochim Varchmin, der auch für die Mühlen auf dem Gelände des DTM verantwortlich war, hatte kein Interesse. Dr. Varchmin war aber zugleich auch ehrenamtlicher Geschäftsführer der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V.. Hierzu Florian Eickmann, damals noch Radüchel: "Ich saß bei Jochim (Dr. Varchmin, K.R.) im Büro und sehe zufällig die Bilder von dem Teil. Da hatte er der Besitzerin schon abgesagt - ohne auf die Idee zu kommen, entweder Klaus Rudolph von der Straupitzer Mühle oder mich zu fragen. Da bin ich dann etwas an die Decke gegangen und habe zum Telefon gegriffen und direkt bei der guten Frau angerufen." Danach fragte Florian bei mir an, denn wir waren beide Vorstandsmitglieder der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V.. Ich war sofort hellauf begeistert, woraufhin Florian mit der Besitzerin der Handpresse einen Termin zur Abholung vereinbarte.

Im Herbst 1997 fuhr ich mit meinem privaten VW-Transporter und meinen beiden bei "Spreewald-Souvenir Klaus Rudolph" angestellten Ölmüllern Bernd Wenzel (Straupitz) und Dieter Walter (Sacrow b. Waldow) nach Lichtenrade in die Kleingartenkolonie direkt an der ehemaligen Berliner Mauer, wo Florian Radüchel (verh. Eickmann) bereits wartete. Gemeinsam wuchteten wir das schwere Eisenteil (ca. 200 kg) aus der Laube und über die Beete, was auf Grund der räumlichen Enge anstrengender und schwieriger war als gedacht. In Straupitz haben wir alle Teile gründlich entrostet, wieder gängig gemacht und neu gestrichen. Allerdings hat es eine ganze Weile gedauert, ehe wir den Mechanismus verstanden hatten und wir damit auch wirklich Öl pressen konnten, denn es gab keine Bedienungsanleitung und auch noch kein Internet mit Youtube-Erklär-Videos.



Später kaufte ich passend dazu eine historische blaue Emaillekanne mit Deckel, die ich in einem Antiquitätengeschäft entdeckt hatte.


Das ist nun alles bereits schon 20 Jahre her, doch seitdem hat die alte Handpresse eines findigen Berliner Eisenbahners uns und auch vielen Zuschauern bei Schauvorführungen viel Freude bereitet wie z.B. hier anno 2009 auf dem Straupitzer Johannismarkt mit Thomas Bonhage (links) und meinem Nachfolger Gerd Nowak (rechts).

Diese alte Handpresse ist ein einmaliges Unikat und historisch sehr wertvoll. Ich hoffe, dass meine Nachfolger das zu schätzen wissen und pfleglich damit umgehen - auch wenn sie vermutlich die Geschichte dieser Presse nicht kennen. Doch genau dafür habe ich sie jetzt aufgeschrieben und veröffentlicht.


Glück zu!
Klaus Rudolph

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