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Dieses Thema hat 0 Antworten
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 Zur Geschichte der "Dreifach(wind)mühle"
Klaus Rudolph
Administrator


Beiträge: 47

23.08.2017 20:15
Die Rolle der Mühle bei der Renaissance des Spreewaldleinöls nach der Wiedervereinigung 1990 Zitat · Antworten

Rolle und Bedeutung der Mühle bei der Renaissance des Spreewaldleinöls nach 1990
von Klaus Rudolph, Straupitz und Cottbus (Alle Rechte beim Autor!)

Die Straupitzer Ölmühle unter dem Dach der Holländerwindmühle (Mahl-, Öl- und Sägemühle) war im wiedervereinigten Deutschland nach 1990 die erste Ölmühle im Land Brandenburg und dem Spreewald, die wieder mit der Leinölherstellung anfing (Dezember 1995).


Durch diese Straupitzer Pionierarbeit wurde der Grundstein gelegt für den heute guten Ruf des Spreewaldleinöls, der mittlerweile deutschlandweit bekannt und berühmt ist. Dem Straupitzer Beispiel folgte 1998 die Kanow-Mühle in Sagritz bei Golßen, allerdings nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Initiative von Florian Radüchel (verh. Eickmann) und mit meiner Unterstützung. Florian war damals so wie ich Vorstandsmitglied der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. und Mitglied der DGM (Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung). Über mehrere Umwege erfuhr Florian von Karlheinz Schanz, ein sehr engagierter Mühlenaktivist im hessischen Landesmühlenverein, dass der Besitzer einer kleinen Ölmühle in Homberg (Elze) in Hessen die gesamte Ölmühleneinrichtung dem hessischen Landesmühlenverein zur Verwertung angeboten. hatte. Schanz fand aber in Hessen keinen Interessenten, stieß aber bei Florian Radüchel auf offene Ohren. Zwar hatte dieser bis dato eigentlich auch kein Faible für Ölmühlen, doch hatte er inzwischen die Straupitzer Ölmühle und mich als ebenfalls "Mühlenverrückten" kennengelernt. Und weil ich 1996 der Einzige war in Brandenburg oder ganz Ostdeutscjhland, der eine historische Ölmühle wieder zum Laufen gebracht hatte und damit auch wieder regelmäßig arbeitete, holte er mich mit ins Boot.

Unsere gemeinsame erste Überlegung war, die hessische Ölmühle erst einmal nach Straupitz zu holen und dann weiterzusehen. Wir waren fest entschlossen, die hessische Ölmühle vor der beabsichtigten Verschrottung zu retten, fanden dann aber den Standort Straupitz auf Grund der geringen Platzverhältnisse doch nicht optimal. Also überlegten wir neu und gingen die uns bekannten ehemaligen Zwei- und Dreifachmühlen in der Region durch, die es als Kombination von Mahl-, Öl- und/oder Sägemühle früher recht zahlreich gegeben hat so wie heute noch in Straupitz. Deshalb boten wir die hessische Ölmühle zunächst der Gemeinde Schlepzig im Unterspreewald an, wo noch das alte Mühlengebäude einer solchen ehemaligen Dreifachmühle existierte, allerdings ohne jegliche Technik (später erkannte die Gemeinde den touristischen Wert einer Mühle und ließ ein historisches Mahlwerk einbauen - mehr oder weniger als dekorative Kulisse). Schlepzig zeigte aber kein Interesse, und so kam Florian Radüchel auf die Kanow-Mühle in Sagritz. Diese war vor Zeiten ebenfalls mal eine Mahl- und Ölmühle gewesen, allerdings wurde zu DDR-Zeiten die Ölmühle stillgelegt und ausgebaut. Ich wurde gefragt, ob es klug wäre, eine weitere Ölmühle in der Spreewaldregion zu etablieren und dadurch eventuell eine unliebsame Konkurrenz für Straupitz zu schaffen; oder ob wir nicht besser einen neuen Standort weit weg vom Spreewald, z.B. in der Prignitz oder Uckermark suchen sollten. Da aber die Hessenmühle recht klein und Sagritz 40 km weit weg war von Straupitz, sah ich kein Konkurrenzproblem und befürwortete den Standort an der Dahme. So nahm Florian R. den Kontakt auf zum Kanow-Müller Jörg Behrendt, der von dem Angebot zwar nicht überschwänglich begeistert, aber auch nicht abgeneigt war. Florian Radüchel besorgte bei einer Berliner Autovermietung einen LKW, fuhr über Nacht ganz alleine nach Hombuerg (Elze) in Hessen, lud die komplette Ölmühlentechnik auf und stellte sie anderntags dem Kanow-Müller auf den Hof. Der brauchte dann noch zwei Jahre, um die Hessenmühle mit Schlosserhilfe zu restaurieren und wieder betriebsfähig zu machen. Dabei kamen Jörg Behrendt und seine Frau Christina (Müllerstochter und Eigentümerin der Mühle) mehrfach nach Straupitz, um die Geheimnisse der Leinölherstellung zu erfahren und hierbei ganz besonders den etwas heiklen Prozess des Leinsaatröstens in der holzbeheizten Röstpfanne (Behrendt war das aber zu mühselig und verwendete deshalb eine elektrische Heizspirale aus einem Kartoffeldämpfer). Ende 1998 floss dann in der Kanow-Mühle das erste "Nach-Wende-Leinöl".

Damit gab es zwei wieder produzierende Ölmühlen in der Spreewaldregion. Dadurch erhöhte sich der Bekanntheitsgrad des Spreewaldleinöls weiter und animierte Andere zur Nachahmung wie z.B. den anno 2000 arbeitslosen Elektriker Gerd Ballaschk in Burg/Spreewald. Ballaschk kaufte eine kleine Schneckenpresse, stellte diese in einen mobilen Baucontainer auf der grünen Wiese und begann ebenfalls Leinöl zu pressen.


Aufgrund stetig zunehmenden Absatzes und Platzproblemen verlegte Ballaschk diele Sagritz, Ballaschk Cottbus, Ölfreund Cottbus, Zeidler Lübbenau, Bio-Landwirt Hugo Melde in Eichow/Kolkwitz). Auch "Kunella Feinkost" Cottbus bringt Leinöl unter eigenem Namen und Label "Genuss aus der Spreewaldregion" sowie "Spreewälderin Leinöl" (ehemalige Marke der Neuköllner Ölmühle Berlin) in den Handel, stellt dieses aber nicht selbst her.

Zum Ende der DDR 1990 existierte im Spreewald und darüber hinaus in ganz Brandenburg keine einzige produzierende Ölmühle mehr, obwohl es vormals in der Niederlausitz zahlreiche Dutzende davon gegeben hat. Im Spreewald und der angrenzenden Region hatte es in fast jedem dritten Dorf eine Leinölmühle gegeben, womit die Ölmühlendichte hier besonders hoch gewesen ist. In der Blütezeit produzierten allein in Cottbus mehr 10 Ölmühlen, die allesamt auch Leinöl herstellten (siehe Helmut Jentsch: Lausitzer Ölmühlen, REGIA Verlag Cottbus, ISBN 978-3-939656-20-3). Am längsten hielt die Cottbuser "Ölmühle Mixdorf" in der Berliner Straße durch, die die auf der anderen Straßenseite befindliche Fa. Kunert (im Volksmund Käse-Kunert genannt, nach der Wende "Kunella Feinkost GmbH") mit Leinöl belieferte. Wie mir Uli Mixdorf, Inh. und letzter Ölmüller berichtete, wurde das Leinöl in Blechfässern und mit Fusstritten über die Straße bis auf das Kunert-Gelände in der Briesener Straße gerollt. Kunert und heute Kunella hatten und haben noch nie eigenes Leinöl hergestellt, sondern immer fremdbezogen und in Flaschen mit eigenen Etiketten abgefüllt. Die Ölmühle Mixdorf stellte in den 1980ern wohl als letzte ihre Produktion ein so wie die Straupitzer Ölmühle bereits 1973. Sämtliche Lebensmittelgeschäfte in der Niederlausitz und im Spreewald wurden mit Leinöl aus Hoyerswerda (heute "Lausitzer Ölmühle GmbH") und Kroppenstedt bei Magdeburg (heute "Kroppenstedter Ölmühle Walter Döpelheuer GmbH") beliefert, die beide dem "VEB Kombinat Öl und Margarine Magdeburg" angehörten.

Ursache für das Niederlausitzer und Spreewälder Ölmühlensterben in der DDR mit Ausnahme der Ölmühle Hoyerswerda dürfte die staatlich verordnete Einstellung des Flachsanbaues (Flachs = Lein) gewesen sein, als die DDR in den 1960er Jahren große Kapazitäten schuf zur Produktion synthetischer Stoffe aus Dederon (Perlon), WOLPRYLA ® (Polyarcrylnitril) usw. und somit den schwierig zu verarbeitenden Flachs als Faserpflanze verdrängte. Durch den Niedergang des Flachsanbaus fehlte den Ölmühlen aber der Rohstoff (Leinsamen) zur Leinölherstellung, wodurch diese zur Aufgabe gezwungen wurden. In der Folge wurden die Ölmühlen bis auf ganz wenige Ausnahmen entkernt und umgenutzt, die Technik wurde verschrottet. Einzige Ausnahme in der gesamten Spreewaldregion und weit darüber hinaus war die Holländermühle Straupitz, wo 1973 zwar die Ölproduktion eingestellt wurde, jedoch wenigstens ein Großteil der Technik erhalten blieb. Lediglich das zur Stempelpresse gehörende Hydraulikaggregat wurde verkauft, was sich bei der Restaurierung und Rekonstruktion 1994/1995 als ein großes, fast unlösbares Problem erweisen sollte.


Die übrige Technik und Einrichtung hatte durch den 20jährigen Stillstand in feuchtem Gemäuer zwar sehr stark gelitten, konnte aber in mühevoller Arbeit wieder funktionstüchtig aufgearbeitet und ergänzt werden. Letztlich gelang es mir auch, auf abenteuerliche Weise ein historisches Hydraulikaggregat zur Komplettierung der alten Ölpresse zu beschaffen.

Aus heutiger Sicht steht fest, dass die Restaurierung und Wiederinbetriebnahme der Straupitzer Ölmühle anno 1995 die entscheidende technische Voraussetzung war zur Wiederentdeckung und Neubelebung des heute weithin berühmten Spreewaldleinöls. Allerdings war es mit der Restaurierung der Ölmühle allein noch nicht getan. Sehr viel wichtiger und historisch bedeutsam für die Renaissance des Spreewaldleinöls und seines wirtschaftlichen Erfolges war die Gründung und Einrichtung eines gewerblichen Mühlenbetriebes zur Produktion und Vermarktung des Leinöls. Erst dadurch wurde dieses in der Region bekannt und veranlasste andere zur Nachahmung meiner Geschäftsidee. Zum Zweck der gewerblichen Leinölproduktion in der Straupitzer Ölmühle und dessen Vermarktung gründete ich 1997 die Fa. "Spreewaldsouvenir, Inh. Klaus Rudolph" (nebenstehend mein Firmenstempel von 1997), stellte zwei Ölmüller ein in Vollzeit, lernte diese an und organisierte in meiner Freizeit den Geschäftsbetrieb (Rohstoff- und Materialeinkauf, Vertrieb, Werbung, Buchhaltung usw.) Denn "Spreewald-Souvenir, Inh. Klaus Rudolph" betrieb ich lediglich als Hobby, da ich zur damaligen Zeit als Geschäftsführer der "Lausitzer Bildungsgesellschaft e.V." in Vollzeit angestellt war. Fakt ist, dass mit "Spreewald-Souvenir" (zu dem merkwürdigen Namen siehe: Zur Geschichte der Fa. Spreewald-Souvenir, Inh. Klaus Rudolph, und deren Rolle und Bedeutung für die Mühle) die Renaissance des Spreewaldleinöls im wiedervereinigten Deutschland begann - zweifelsohne ein historischer Verdienst, ohne den es heute im Spreewald vermutlich keine Ölmühlen gäbe [/b]und Leinöl aus Sachsen (Hoyerswerda und Dörnthal), Sachsen-Anhalt (Kroppenstedt) oder anderswoher importiert werden müsste nach dem Beispiel von "Kunella" Cottbus.

Seit wenigen Jahren wird in der Spreewaldregion auch wieder Flachs (Lein) angebaut. 2013 waren es ca. 60 Hektar, 2014 bereits 120 Hektar, 2016 167 Hektar und 2017 schon 225 Hektar, davon ca. 50 h in Bio-Qualität. (Quelle: http://spreewaldverein.de/dachmarke-spre...n-im-spreewald/ u.a.). Diese Wiederbelebung des Spreewälder Flachsanbaus wäre ohne die Pionierleistung der Straupitzer Mühle nicht denkbar, denn 1995 zur Wiedereinweihung der rekonstruierten Straupitzer Ölmühle war kein heimischer Leinsamen verfügbar, weil dieser von keinem Landwirtschaftsbetrieb mehr angebaut wurde. Zum einen fehlte bis dato die Nachfrage (es gab ja auch keine Ölmühlen mehr), zum Anderen war und ist der Flachsanbau sehr aufwändig und teuer. Zudem verlangen die Ölmühlen einen Reinheitsgrad von ca. 99%, wodurch sich die Herstellungskosten in etwa verdoppeln. 1995 und 1996 war ich deshalb gezwungen, exorbitant teure Backleinsaat bei der BÄKO (damaliger Filialsitz im ehem. VEB Gartenbaubetrieb Butzen) zu ordern. Später bezog ich die Leinsaat von der inzwischen befreundeten "Lausitzer Ölmühle Fritz Schkommodau GmbH & Co. KG" in Hoyerswerda und mit zunehmender Produktionsmenge an Leinöl ab 1998 palettenweise aus der "Spreewaldmühle Gebr. Kümmel" in Burg/Spreewald.



In der Folge hatte ich immer wieder Ärger mit dem Spreewaldverein e.V. in Lübben. Dieser hatte sich Ende der 1990er im Zusammenhang mit dem Spreewälder Gurkenstreit die Dachmarke "Spreewald" als geschützte geografische Angabe (ggA) schützen lassen und verfocht die Meinung, wo Spreewald draufsteht, müsse auch Spreewald drin sein - seinerzeit zu 80 %, was später jedoch reduziert wurde. Erzeuger, die dieses Kriterium erfüllten, wurden vom Spreewaldverein zertifiziert und durften sich gegen eine Lizenzgebühr mit "Spreewald ggA" auf dem Etikett schmücken. Seltsamerweise erhielt das Leinöl der Kanow-Mühle Sagritz das Spreewald-Zertifikat zu einem Zeitpunkt, zu dem im Spreewald nachweislich noch kein Flachs wieder angebaut wurde. Darüber habe ich mich maßlos echauffiert, zumal die Kanow-Mühle anders als Straupitz durch den Spreewaldverein stark hofiert wurde und von diesem Fördermittel erhielt, um sich auf der "Grünen Woche" Berlin zu repräsentieren zur Vermarktung des eigenen Leinöls. Mein Verdacht war, dass das Leinöl der Kanow-Mühle aus Nicht-Spreewald-Leinsaat nur deshalb das Spreewald-Zertifikat bekam, damit es auf der Grünen Woche am Stand des Spreewaldvereins besser bzw. "standesgemäß" aussah. Der Streit zwischen dem Spreewaldverein und mir eskalierte 2012, nachdem ich für das von mir erfundene und seit vielen Jahren auf unseren Etiketten prangende "Spreewaldgold Leinöl" beim Münchener DPMA den Markenschutz beantragt hatte.


Der Spreewaldverein bekam davon Wind und legte umgehend beim DPMA Widerspruch ein, weil im Straupitzer "Spreewaldgol Leinöl" ihrer Meinung nach kein Spreewald enthalten sein könne, da ja im Spreewald (seinerzeit) kein Flachs angebaut würde. Mein Argument, dass eine echte "Schweizer Uhr" ja auch nicht aus Schweizer Stahl und anderen in der Schweiz hergestellten Materialien bestehen müsse, wurde genauso ignoriert wie meine Frage, warum die allseits bekannte Festtagstracht der Spreewaldfrauen mit der typischen Haube ausnahmslos aus nicht heimischen Materialien hergestellt wird, aber dennoch allgemein als ein Wahrzeichen des Spreewaldes gilt, auch beim Spreewaldverein, der sich auf zahlreichen Veranstaltungen und Messen gerne selbst damit schmückt. Drei Jahre später wurde dieser Streit gegenstandslos, nachdem im Spreewald wieder genügend Flachs (Lein) angebaut wurde, um die existierenden Ölmühlen, auch die Straupitzer, mit heimischer Leinsaat zu versorgen. Die Anfänge dieser mittlerweile positiven Entwicklung gehen ganz zweifellos zurück auf die beispiellosen Pionierleistungen der Straupitzer Windmühle zur Renaissance des Spreewaldleinöls. Das ist ihr unumstrittener historischer Verdienst und untrennbar mit meinem Namen verbunden.


Glück zu!
Klaus Rudolph

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