Jubiläum
"25 Jahre Wiedergeburt der Straupitzer Ölmühle"
Gedanken zur historischen BedeutungAm Donnerstag, 14. Dezember 1995, einem kalten Wintertag, wurde die Straupitzer Ölmühle von 1910 nach rund 30 Jahren Stillstand wieder in Betrieb genommen und im Beisein zahlreicher Gäste feierlich wiedereingeweiht. Das Foto zeigt, wie ich als Mühlenchef nach der ersten offiziellen Leinölpressung den ausgepressten Leinsamen (sogenannter Presskuchen) an den Straupitzer Bürgermeister Winfried Rekitt ✝ (im Bild links) überreiche.
Ein ganzes Jahr haben wir, eine sechsköpfige Reparaturtruppe unter meiner Leitung, auf dieses Ereignis hingearbeitet. Fast niemand außer mir hatte an den Erfolg geglaubt, auch nicht der letzte Müller Willy Nowak. Zu kaputt war die Mühle durch den jahrzehntelangen Stillstand, viele wichtige Teile, Maschinen und Gerätschaften waren unbrauchbar oder gar nicht mehr vorhanden wie das Pumpenaggregat zum Antreiben der Hydraulikpresse. Zudem waren die Arbeitsbedingungen äußerst miserabel, es fehlte an allem: Werkzeug, Ausstattung, Material und Geld. Durchaus verständlich, dass manche Leute im Dorf mich deshalb als "Spinner von der Mühle" bezeichneten; aber das hat mich nicht gestört - ganz im Gegenteil haben mich solche Unkereien eher angespornt zum Weitermachen. Letztlich wurden mit der Widerinbetriebnahme der restaurierten Ölmühle am 14.12.1995 sämtlich Zweifler eines Besseren belehrt!
Ausführlichere Infos zur einjährigen Restaurierung gibt es hier in der Mühlenchronik:
Chronik 1994/95: Zur Restaurierung der Ölmühle - Teil IVor 25 Jahren konnte allerdings noch niemand die historische Bedeutung des Ereignisses und die daraus resultierende weitere Entwicklung erahnen. Heute aber steht fest, dass die Wiederherstellung und Inbetriebnahme der Straupitzer Ölmühle eine enorme Pionierleistung war aus mehreren Gründen.
1. Die Straupitzer Ölmühle von 1910 ist bis heute die einzige original erhaltene Ölmühle im Land Brandenburg, die komplett restauriert wurde und seither wieder mit weitgehend originaler Technik produziert. Zwar gab es Anfang der 1990er Jahre auch in Treuenbrietzen eine Ölmühle mit vorhandener Technik, wurde aber nie restauriert. Von den zahlreichen anderen Ölmühlen, die vor allem in der Spreewaldregion noch zu DDR-Zeiten existierten, ist nichts erhalten geblieben wie z.B. in Schlepzig, Lübben (Hainmühle), Burglehn bei Altzauche (Otto Nürnberg), Straupitz (Johannes Nitschke), Schmogrow, Burg (Spreewald), Turnow (Krautzig) und Cottbus (Täschner, Mixdorf - beide in Ströbitz), Bonnaskenmühle, Sandower Ölmühle an der Ost-Aue, Wilhelmsmühle, Große Mühle Madlow, Priormühle, Kutzeburger Mühle u.a.m..
Diese Ölmühlen waren überwiegend privat und passten nicht zum sozialistischen Wirtschaftsgefüge der DDR. Private Ölmühlen wurden deshalb bei der staatlichen Zuteilung von Rohstoffen (z.B. Leinsaat) benachteiligt, eigener Import war nicht möglich. Nach und nach gaben die Ölmüller auf und legten ihre Mühle still, wobei Inventar und Technik - mit Ausnahme von Straupitz - verschrottet wurde. Die gesamte Leinölproduktion der Lausitz wurde staatlicherseits in der volkseigenen bzw. staatlichen Ölmühle in Hoyerswerda (heute „Lausitzer Ölmühle“, vormals Schkommodau) konzentriert, für damalige Verhältnisse ein moderner Großbetrieb, der soviel produzieren konnte wie alle kleinen Ölmühlen der Region zuvor und bis zum Ende der DDR 1990 die ganze Lausitz samt Spreewald belieferte.
2. Mit der Wiederinbetriebnahme der Straupitzer Ölmühle 1995 wurde das zum damaligen Zeitpunkt ausgestorbene Spreewald-Leinöl zu neuem Leben erweckt, ein bedeutsames historisches Verdienst der Straupitzer Leinölaktivisten! Seit Alters ist das Leinöl ebenso wie die Spreewaldgurke eine regionale Spezialität des Spreewaldes, doch gab es im Spreewald zum Ende der DDR 1990 keine einzige produzierende Ölmühle mehr (siehe Pkt. 1). Die privaten Ölmüller waren ja nicht nur ein Dorn im Auge der sozialistischen Partei- und Staatsführung, sondern hatten auch große Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Leinsamen für die Leinölproduktion. Denn mit dem Siegeszug von Baumwolle und synthetischen Fasern in der Textilindustrie war der Flachsanbau in der DDR zum Erliegen gekommen; 1990 gab es im Spreewald kein einziges Flachsfeld mehr (die Flachspflanze liefert Leinenfasern für Stoffe und Leinsamen zur Ölherstellung). Es hat dann noch viele Jahre gedauert, bis in der Spreewaldregion einige Landwirtschaftsbetriebe bereit waren, wieder Flachs anzubauen, um die aufgrund der Straupitzer Pionierrolle neu entstandenen kleinen Ölmühlen mit Leinsamen zu beliefern.
Das Fehlen einheimischer Leinsaat bzw. Flachsanbauer hat mir die ersten Jahre auch große Probleme und Schwierigkeiten gemacht. Zu Beginn habe ich Bäckerleinsaat (99 % Reinheitsgrad) gekauft bei der BÄKO, die Anfang der 1990er in Butzen eine Niederlassung eingerichtet hatte auf dem Gelände des abgewickelten „VEB Gartenbaubetrieb“. Leider war die Bäckerleinsaat ziemlich teuer, deshalb fuhr ich nach Hoyerswerda zu Fritz Schkommodau, dem neuen Besitzer der (von der Treuhand zurückerworbenen) „Lausitzer Ölmühle“. Schkommodau sah in der kleinen Straupitzer Ölmühle mit damals fast 100jähriger historischer Technik keine Konkurrenz und war sofort zur Kooperation bereit. Schkommodau hatte einen eigenen Lieferdienst zur Belieferung von Wiederverkäufern (Geschäfte, Gaststätten und Markthändler) in der Lausitz und dem Spreewald eingerichtet und belieferte auch EDEKA in Straupitz (Inh. Marianne Bogula).
Fortan kam wöchentlich ein Transporter zu uns und brachte Leinsaat in Papiersäcken. Dummerweise war an dem Auto beiderseits groß das Firmenlogo „Lausitzer Ölmühle“, und so dauerte es nicht lange, bis im Dorf das Gerücht aufkam, dass wir unser Straupitzer Leinöl gar nicht selber pressen würden, sondern aus Hoyerswerda geliefert bekommen. Leider war die Hoyerswerdaer Leinsaat mit ca. 15 % Fremdbesatz (hauptsächlich Unkrautsamen) recht stark verunreinigt, so dass wir die Körner vor der Verarbeitung erst mal durch den restaurierten Flachsichter mit Rund- und Langlochsieb schickten. Ganz sauber wurde die Leinsaat jedoch nicht, weshalb ich nach einer anderen Bezugsquelle suchte und bei Gebr. Kümmel (Inh, der Spreewaldmühle in Burg/Spreewald) fündig wurde. Kümmel war sehr rührig und beschaffte Leinsaat aus Belgien und Kanada, aber auch aus Altengönna/Thüringen. Letzteren haben wir Ende der 1990er tonnenweise verarbeitet. Irgendwann wurden die „westlichen“ Importe zu teuer, so dass Leinsaat aus Kasachstan bezogen wurde. Natürlich wäre mir heimischer Leinsamen viel lieber gewesen, doch gab es noch für viele Jahre keinen Flachsanbau in der Spreewaldregion. Noch 2011 hatte der Lübbener Spreewaldverein e.V. als Inhaber der Kollektivmarke „Spreewald“ beim DPMA München Widerspruch eingelegt gegen die von mir für unsere Etiketten beantragte Wortmarke „Spreewaldgold-Leinöl“ und wollte diese verbieten lassen. Begründung: Spreewaldgold-Leinöl wäre eine Verbrauchertäuschung, weil es nicht aus (überwiegend) Spreewälder Leinsaat hergestellt würde. Die damit verbundene Auseinandersetzung veranlasste den Spreewaldverein jedoch, sich für die Wiederbelebung des heimischen Flachsanbaues zu engagieren und dafür anbauwillige Landwirtschaftsbetriebe zu gewinnen. Denn mittlerweile hatte das Straupitzer Leinöl Furore gemacht und etliche Nachahmer gefunden. 1998 begann die Kanow-Mühle Sagritz mit der Leinölherstellung (mit Straupitzer Unterstützung), 7 Jahre später (2005) Fa. Ballaschk in Burg/Spreewald mit einer kleinen Schneckenpresse im Baustellencontainer auf der grünen Wiese neben seinem Wohnhaus (heute ansässig in Cottbus auf dem ehemaligen Flugplatz). Weitere kleine neue Ölmühlen entstanden in Lübbenau, Eichow, Cottbus (heute insgesamt drei) und Drebkau - allesamt mit neuzeitlicher Technik (Schneckenpressen).
Aber Straupitz war die Initialzündung für diese Entwicklung, wodurch in der Spreewaldregion zwei zuvor ausgestorbene Wirtschaftszweige wieder neu belebt wurden: Spreewälder Leinöl und Spreewälder Flachsanbau. Schwer vorstellbar ohne die Straupitzer Pionierleistungen vor 25 Jahren!
3. Die Einweihung und Wiederinbetriebnahme der Straupitzer Ölmühle am 14. Dezember 1995 war eine ganz wesentliche Voraussetzung für die nachfolgende Entwicklung der Mühle bzw. Holländermühle selbst sowie auch der Gemeinde Straupitz als touristisches Highlight. Im Jahr 2000 hatte die Mühle bereits mehr als 16.000 Besucher, seit 2002 nach der Rekonstruktion und Komplettsanierung kontinuierlich jedes Jahr über 30.000 Besucher.
Diese Entwicklung wäre ohne die wieder produzierende Ölmühle niemals möglich gewesen. Zumal die Einnahmen aus der Leinölproduktion es dem Straupitzer Mühlenverein ermöglichten, die seinerzeit ruinöse Mühle auf eigene Kosten zu betreiben und zu unterhalten, ja letztlich sogar der Gemeinde Straupitz als Eigentümer (ab 1998) die erforderlichen Gelder zur Kofinanzierung der Mühlensanierung 2001/2002 zur Verfügung zu stellen. Überhaupt hatte die Gemeinde als Eigentümer der Mühle dank Mühlenverein bis heute keine Kosten für die Mühle außer … unsinniger 48.000 DM für den vermeintlichen Mühlenkauf 1990 „auf Rechnung“, der aber mangels Notarvertrag ungültig geblieben ist - also rausgeschmissenes Geld.
4. Eine weitere historische Bedeutung der Wiederinbetriebnahme der Straupitzer Ölmühle ist die Schaffung von Arbeitsplätzen und Entwicklung der Mühle als heute nicht unbedeutender Arbeitgeber. 1997 habe ich eigens dafür die Privatfirma „Spreewald-Souvenir, Inh. Klaus Rudolph“ gegründet und zwei hauptberufliche Ölmüller (Dieter Walter, Bernd Wenzel) in Vollzeit eingestellt. 2000 waren es mit mir vier Beschäftigte, 2007 sechs plus eine Saisonkraft und mehrere Teilzeitkräfte. Heute soll die Mühle lt. Zeitungsbericht ca. 14 Mitarbeiter beschäftigen. Aber der Grundstein dafür wurde am 14.12.1995 gelegt.
Fazit: Die Straupitzer haben wirklich allen Grund, stolz auf ihre Mühle und deren erfolgreiche Entwicklung zu sein.
Mit altem Müllergruß „GLÜCK ZU!“ für die nächsten 25 Jahre!
Klaus Rudolph
Hier gibt es ein paar historische Fotos von der Wiedereinweihung 1995:
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