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Mühlen- und Müllerforum "Glück zu!"

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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 941 mal aufgerufen
 Mühlenerhaltung und -betreibung
Askop
Administrator


Beiträge: 610

17.11.2009 16:04
Uni-Tagung: Histor. Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung Zitat · Antworten

Es ist zwar schon ein paar Tage her, aber noch immer hochaktuell und wert, hier noch einmal darauf zu verweisen:

Am 26./27. Oktober 2001 fand am Lehrstuhl für Denkmalpflege der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus eine Tagung von "Mühlenfreunden" und "Denkmalleuten" statt. Die wichtigsten Ergebnisse und Standpunkte wurden in einer Publikation zusammengefasst und unter fogendem Titel veröffentlicht:

Maschine, Denkmal, Landmarke
Historische Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung

Tagung der BTU Cottbus, 26./27. Oktober 2001

Herausgeber:
Leo Schmidt, Lehrstuhl für Denkmalpflege BTU Cottbus
Jochim Varchmin, Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V.

ISBN 3-9807583-5-4

Bei Interesse einfach mal in den Geschäftsstellen der DGM/Landesvereine nachfragen, vielleicht findet sich noch das eine oder andere Exemplar.

Im Folgenden einige Beiträge aus der Broschüre.

Grieß & Grütze!
Klaus Rudolph, der diese Beiträge wichtig, richtungsweisend und nützlich findet

Glück zu!

Askop
Administrator


Beiträge: 610

17.11.2009 16:05
#2 Vorwort: Historische Mühlen im Verständnis der Denkmalpflege Zitat · Antworten

Maschine, Denkmal, Landmarke
Historische Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung

Tagung der BTU Cottbus, 26./27. Oktober 2001



Vorwort

Autor: Dekan Prof. Dr. Leo Schmidt, Lehrstuhl für Denkmalpflege an der BTU Cottbus

(Bau-) Denkmale, Maschinen, Landmarke - diese drei Komponenten und ihr jeweiliger Rang prägen das Konfliktfeld, in dem historische Mühlen häufig stehen. Es gibt das Bauwerk, die architektonische Behausung; es gibt die Technik, die umhauste Maschinerie; und es gibt das räumliche, landschaftliche Umfeld der Mühlenanlage.

Die Gewissensfrage lautet: Welche dieser Komponenten sieht man als das Eigentliche, als das Wesentliche einer Mühle an? Denn an dieser Frage scheiden sich oft die Geister. Mühlenbetreiber, Natur- und Landschaftsschützer, Denkmalpfleger - sie bewerten diese drei Komponenten unterschiedlich, haben verschiedene Priroritäten in ihrer Sicht auf denselben Gegenstand.

So geht der Betreiber einer Mühle von der naheliegenden Frage aus: Wofür sind Mühlen da? Sie mögen von unterschiedlichen Energieformen angetrieben werden, unterschiedliche Formen aufweisen und unterschiedliche Endprodukte erzeugen, aber letztlich handelt es sich immer um Maschinen, die laufen sollen, die eine Funktion auszuüben haben; sie sind Produktionsmittel, bieten die materielle und funktionale Grundlage eines Produktionsprozesses.
Aus dieser Sehweise ergeben sich klare Konsequenzen: Eine solche Maschine muss im Sinne des Arbeitsprozesses, dem sie dient, gewartet werden. Dazu gehört zumindest auch der Austausch und die Erneuerung von Komponenten. Oft muss die Maschinerie aber auch an neue Anforderungen angepasst, weiterentwickelt werden.
Das Aussehen der baulichen Hülle, die Behausung der Maschine, ist aus dieser Sicht sekundär. Das landschaftliche Umfeld ist nur soweit wichtig, wie es zur Funktion der Mühle gehört - insofern, als gegebenenfalls die Wind- oder Wasserversorgung der Maschinerie gesichert sein muss.

Ganz anders dagegen die Herangehensweise mancher Natur- und Landschaftsschützer. Für sie ist eine Mühle im Extremfall nur ein - vorübergehender - Eingriff in die ökologische Balance der Landschaft. Insbesondere bei Mühlen, die mit Wasserkraft betrieben werden, ist ja eine manchmal recht weiträumige Organisation der Wasserzufuhr erforderlich, die mit Anliegen des Naturschutzes kollidieren kann. Gleichzeitig ist eine Mühle anerkanntermaßen nicht selten auch ein optischer Gewinn für die Landschaft, als oft weithin sichtbare Landmarke und Akzent einer topographischen Situation.

Im heutigen Verständnis der Denkmalpflege können alle die genannten Aspekte zusammenkommen und den spezifischen Denkmalwert einer Anlage ausmachen. Allzulange allerdings neigten Denkmalpfleger dazu, nur das Bauwerk, die architektonische Hülle einer historischen Mühle als Denkmal zu betrachten; die Technik, die Maschinerie, galt häufig als verzichtbar und wurde dann oft zugunsten einer Umnutzung, die das Bauwerk bewahren half, preisgegeben.

Aber gerade auch bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, in der die technische Ausrüstung einer Mühle ihren Stellenwert hat, haben Denkmalpfleger nicht selten Probleme mit den Besonderheiten, die eine Mühle mit sich bringt. Die Denkmalpflege hat den Auftrag, materielle historische Quellen zu bewahren; die authentische Substanz als wurde sie auf Informationsträger steht daher im Mittelpunkt des Interesses. Alle Grundlagen des Faches - etwa die Charta von Venedig und die Charta von Burra - betonen die Prirorität der historischen Substanz, die es zu erhalten gilt; alle Instinkte der Denkmalpfleger sind in dieser Richtung trainiert. Bei der Analyse und Bewertung einer Mühle wird dem Denkmalpfleger deshalb auch immer - genau wie bei allen anderen Denkmalen - daran gelegen sein, zunächst einmal Bauphasen zu ermitteln und den Bestand chronologisch zu ordnen, um die Geschichte des Objektes in seiner Entwicklung und in seiner Aussagekraft für verschiedene Zeitebenen zu begreifen. Dieser Ansatz stößt bei Mühlen nicht selten an methodische Grenzen, weil Mühlen in viel stärkerem Maße als die meisten anderen Denkmalgattungen verändert, weiterentwickelt und angepasst wurden, um möglichst optimal dem jeweils aktuellen Bedarf zu entsprechen.

Ein Objekt wie die Sielower Mühle illustriert dies: Sie wurde als Windmühle Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet, aber schon bald nach 1900 wurde sie auf Maschinenkraft umgerüstet. Ein in einem Anbau untergebrachter Generator trieb nun eine weitgehend erneuerte und völlig anders angeordnete Maschinerie an. Dieser Generator und ein Großteil der Maschinen wurde in den 1930er Jahren abgelöst; ein Elektromotor liefert nun den Antrieb. Der Versuch, die vorhandene, gut erhaltene Technik verschiedenen Hauptphasen zuzuordnen, scheitert im Detail daran, dass die Maschinerie vom Müller selbst kontinuierlich Jahr für Jahr, umgebaut und angepasst worden ist. Stetige Veränderung und Anpassung gehören also gleichsam zum Charakter einer historischen Mühle; Stillstand im Sinne strenger Substanzbewahrung widerspricht also geradezu diesem Charakter.

Es liegt also auf der Hand, dass - zwischen Denkmalpflegern einerseits und Mühlenvereinen andererseits - Unterschiede in der Bewertung von Mühlenkomplexen vorprogrammiert sind, vor allem aber Unterschiede in der Vorstellung, wie adäquater Umgang mit historischen Mühlen aussieht. Was hat Prirorität, die Erhaltung der bestehenden Substanz oder die Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Betriebs, für die gegebenenfalls auch Teile des Bestandes ersetzt und erneuert werden müssen?

Die Antwort muss lauten, dass es - wie so oft in der Denkmalpflege - nicht nur eine einzige „richtige“ Herangehensweise gibt. Die einem spezifischen Objekt angemessene Umgangsweise ergibt sich aus der Analyse und dem Verständnis seiner individuellen Werte. In einem Fall mag es richtig und angemessen sein, eine Mühle bis zur Teilrekonstruktion früherer Zustände zu verändern, um sie wieder in Betrieb zu nehmen; in einem anderen Fall mag die bestehende, wenn auch mürbe und fragmentarische Substanz so eindrucksvoll sein, dass man sie am besten so erhält, wie sie ist und auf Austausch und Ersatz verzichtet.

Durch die Vielfalt der Objekte ergibt sich schließlich ein lebendiges und aussagekräftiges Gesamtbild, auch in der besonders bunten Welt der historischen Mühlen.

Glück zu!

Askop
Administrator


Beiträge: 610

17.11.2009 16:24
#3 E. Jahn (DGM): Histor. Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung Zitat · Antworten

Maschine, Denkmal, Landmarke
Historische Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung

Tagung der BTU Cottbus, 26./27. Oktober 2001



Historische Mühlen als öffentliche Aufgabe und Konzepte zu ihrer Erhaltung, Sanierung und Nutzung

Autor: Erhard Jahn, Präsident der DGM (Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung)


Um die Wende von 19. zum 20. Jahrhundert hatte die Wind- und Wassermüllerei ihre Blüte zwar schon überschritten, dennoch versorgten im damaligen Deutschland etwa 30 000 Mühlen dieser Art Mensch und Tier mit Getreideprodukten. Dahinter stand eine Vielzahl von Menschen mit einem hohen Kenntnisstand über Bau, Betrieb und Unterhaltung von Mühlen und Müllereitechnik.
Doch der technische Fortschritt machte auch vor den historischen Mühlen nicht Halt, und neue Energien und Technologien führten zum Entstehen großer Industriemühlen, in deren Schatten den kleinen Handwerksbetrieben das Überleben nahezu unmöglich wurde. Die Folge waren die verschiedenen Etappen des Mühlensterbens, begleitet von den unterschiedlichen Erscheinungen des Verfalls. Eine großartige zweitausendjährige technikgeschichtliche Entwicklung drohte völlig unterzugehen, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die sich, als es noch nicht ganz zu spät war, dem allgemeinen Zeitgeist entgegen stemmten.
So entstanden 1957 der Niedersächsische Mühlenverein und 1960 der Schleswig-holsteinische Mühlenverein. Im nordrhein-westfälischen Minden-Lübbecke wurde 1975 ein Beschluss gefasst, in dessen Folge schließlich die heute weithin bekannte Westfälische Mühlenstraße entstand. In der DDR wurde 1982 der damalige Arbeitskreis Mühlen gegründet, der eine Vielzahl von Mühlenerhaltungsmaßnahmen fachlich und organisatorisch betreute.

Hier wurden nur einige der frühen Aktivitäten genannt, in denen sich Müller, technikbegeisterte Mühlenfreunde und verantwortungsbewußte Kommunen zusammenschlossen, um etwas gegen den Verfall und für den Erhalt dieser technik- und kulturgeschichtlich wertvollen Denkmale zu unternehmen. Damit begannen sich auch Mühlenbetriebe und Mühlenerhalte aus der Anonymität der betreffenden Berufsgruppen in die Öffentlichkeit hinein zu verlagern.
Eine Ermittlung, die für Sachsen-Anhalt angestellt wurde, die aber auch in ähnlicher Weise für Mittel- und Norddeutschland insgesamt gelten dürfte, zeigt, dass 70 % der historischen Wind-und Wassermühlen nicht mehr im Besitz von Müllerfamilien, nur noch 20 % gelegentlich in Betrieb und ganze 8 % noch im Besitz einer Gewerbeerlaubnis sind.

Die vorgenannten Zahlen sind ein deutliches Zeichen für die wachsende Verantwortung der Öffentlichkeit, die im folgenden nochmals schwerpunktmäßig zusammengefaßt dargestellt ist:

- Mühlen sind unstrittig Teil des Kulturgutes der menschlichen Gesellschaft. Sie gehören nachweislich zu den
ältesten Hilfsmitteln in Hauswirtschaft und Gewerbe. Ihr Erhalt und ihre Weitergabe an die nächste Generation ist eine der vornehmsten Pflichten der Gesellschaft.

- Ein völliger Wandel der Besitzerverhältnisse bei historischen Mühlen trat in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts ein. Die überwiegende Zahl der Mühlen ist heute im Besitz von Städten, Gemeinden oder Vereinen oder wird von diesen betreut.

- Durch völliges Wegbrechen des wirtschaftlichen Hintergrundes der historischen Müllerei kann eine kleine Handwerksmühle weder wirtschaftlich betrieben noch erhalten werden.

- An die Stelle des nicht mehr erarbeitbaren Gewinns aus dem Betrieb der Mühle müssen andere Finanzierungsquellen privater und öffentlicher Art treten, die dem Erhalt der Mühle zugeführt werden.

- Das Bild einer großen Zahl restaurierter Mühlen in der heutigen Mühlenlandschaft ist das Ergebnis eines großen öffentlichen Engagements sowie gewaltiger privater und öffentlicher Fördermittel.

- Der sparsame Einsatz von Fördermitteln sowie die fachlich fundierte Ausführung von Restaurierungsarbeiten erfordern den Einsatz qualifizierter Planer, Handwerker und Baubetreuer, die um ihre ständige Weiterbildung bemüht sein müssen.

- Das Interesse breiter Kreise der Bevölkerung an historischen Mühlen ist allein in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen und zu einem breiten öffentlichen Anliegen geworden.

- Es gibt auch heute noch eine Reihe von Mühlen, die durch Fahrlässigkeit, Böswilligkeit oder Ignoranz gefährdet sind. Das Verständnis und der Wille zum Erhalt von Mühlen sind durchaus nicht flächendeckend auf hohem Niveau vorhanden.

- Alle mit dem Betrieb und der Pflege von historischen Mühlen befaßten Behörden, Personen oder Personengruppen müssen sich ihrer hohen gesellschaftlichen Verantwortung bewußt sein. Sie dürfen strittigen Auseinandersetzungen mit Gegnern der Denkmalpflege nicht aus dem Weg gehen!

- In allen Bundesländern stehen ehrenamtlich arbeitende Mühlenvereine und als Dachorganisation die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung allen Interessierten mit Rat und Tat zur Seite.

Mühlenbau- und Unterhaltungsmaßnahmen erforderten seit jeher ein hohes Maß an fachlicher Qualifikation und beruflicher Erfahrung. Nicht zufällig wurden Mühlenbauer früherer Zeit oft als „Mühlenärzte“ bezeichnet, eine Wertschätzung, die die hohe Achtung vor dem Können dieser Fachleute zum Ausruck brachte.
Heute ist der Beruf des Mühlenbauers nahezu ausgestorben. Nur noch wenige Fachleute, die diese ehrenvolle Bezeichnung wirklich verdienen, sind in der Branche tätig. Es geschieht häufig, dass Mühleneigentümer, insbesondere wenn sie keine Müller mehr sind, eine große Zahl von Pseudospezialisten auf die Mühlen loslassen. Das kann im Ausnahmefall gut gehen, führt aber in der Regel zu bösen Überraschungen. Der Verlust wesentlicher Denkmaleigenschaften, gestalterisch unbefriedigende Lösungen, unzulässige statisch-konstruktive Eingriffe, technisch-funktionelle Fehlurteile und sinnlose Geldausgaben sind oftmals die Resultate des Wirkens von Nichtfachleuten.

Kommunen, Vereine und Eigentümer allgemein sollten hier ein hohes Maß von Verantwortung entwickeln, um vorgenannte Erscheinungen konsequent zu verhindern. Auch die Landesämter für Denkmalpflege sind hier gefordert. Oftmals bleibt der Respekt, der der Dorfkirche ganz selbstverständlich entgegengebracht wird, der Mühle versagt. Das läßt sich auf Dauer mit fehlendem Fachwissen nicht mehr begründen, denn es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Spezialisten, die über die Landesmühlenvereine erreichbar und zur fachlichen Beratung gern bereit sind.

Die Grundsätze, die bei der Sanierung historischer Mühlen beachtet werden müssen, sind im folgenden zusammengestellt:

1. Bei einer historischen Mühle handelt es sich in der Regel um ein Denkmal im Sinne des jeweils im betreffenden Bundesland geltenden Denkmalschutzgesetzes.

2. Jede Sanierungsmaßnahme an einer Mühle ist - wenn 1. zutrifft - durch die Untere Denkmalschutzbehörde zustimmungspflichtig.

3. Vor der Sanierung steht die Erfassung und Dokumentation: des Gebäudes mit allen Schadensbildern, der technischen Ausstattung und des technologischen Produktionsablaufes.

4. Ergänzend zur Dokumentation der Anlage muss die Erfassung der Mühlengeschichte erfolgen, d.h. die Erfassung aller Fakten zur Technik, Nutzungs- und Sozialgeschichte.

5. Auf der Basis der Erkenntnisse aus den Punkten 3. und 4. und unter Einbeziehung der Vorstellungen des Eigentümers zur künftigen Nutzung ist die denkmalpflegerische Zielstellung zu erarbeiten.

6. Für die Sanierung gilt grundsätzlich: Erhalten vor Ersetzen! - sowohl für die Bauteile wie für Maschinen und
Ausstattung.

7. Der Ersatz von verschlissenen Bau- und Maschinenteilen muß getreu den denkmalpflegerischen Prinzipien in Material und Form dem historischen Original entsprechen.

8. Als ein Grundsatz der Sanierung sollte gelten: Solange eine Mühle auch als Denkmal eine produzierende Anlage ist, sollten Modernisierungen erlaubt sein. Ist die Mühle nur noch ein Dokument einer abgeschlossenen Epoche, sollten Modernisierungen im Zuge der Sanierung nicht erlaubt sein.

9. Das Bereinigen und Aufräumen einer zur Sanierung anstehenden Mühle darf nicht zum Verlust ihrer Authentizität führen.

10. Jede Mühlensanierung sollte unter der Anleitung eines fachlich qualifizierten Planers von erfahrenen Handwerkern ausgeführt werden.

Ein Blick in die heutige Mühlenlandschaft zeigt zweierlei. Einerseits wurde und wird eine Menge zum Erhalt von Mühlen getan, andererseits stoßen Bemühungen oft auch an ihre Grenzen bzw. gehen in die falsche Richtung. Die ideale Mülenerhaltung besteht in der kontinuierlichen Unterhaltung bei Auswechslung verschlissener Bau- und Maschinenteilen. Die Mühle bleibt authentisch bis zum Erhalt des Mehlstaubs.

Eine Vielzahl von Sanierungen setzt erst nach einer jahrzentelangen Stillstands- und Verfallsperiode ein. Dann ist die Zielstellung die Schaffung von nicht mehr produzierenden aber funktionierenden Schauanlagen, oftmals verbunden mit einem großen finanziellen Aufwand und dem Verlust der historischen Originalität.

In der praktischen Mühlenerhaltung sind folgende Grundsätze zu beachten:

- Bei einer Komplettsanierung besteht die Aufgabe der Planung in der Auflösung der Widersprüche zwischen bauordnungsamtlichen Forderungen, denkmalpflegerischen Ansprüchen, funktionellen Notwendigkeiten, wirtschaftlichen Zwängen und handwerklicher Realisierung.

- Die Aufgabenstellung muß präzise formuliert und auf die Eigenarten der Mühle ausgerichtet sein. Dabei muß verhindert werden, dass irgendwann alle Mühlen auf ein genormtes Standardniveau zurecht saniert werden.

- In den Ausschreibungen muss sich die Aufgabenstellung präzise widerspiegeln. Die Ausschreibungen müssen eindeutige Angaben zu handwerklichen Ausführungen erhalten.

- Die Aufteilung der Lose muss so erfolgen, dass fachlich voneinander abhängige Arbeiten nicht getrennt werden, um Unklarheiten bei späteren Regressansprüchen zu vermeiden.

- Die Vergabe der Aufträge darf nur an Betriebe erfolgen, die ihre fachliche Eignung nachgewiesen haben.

Bei Beachtung dieser Grundregeln werden letztlich Sanierungslösungen entstehen, die mühlentechnisch und denkmalpflegerisch Bestand haben. Dass es dennoch zu Fehlschlägen und Misserfolgen kommt, zeigen Einstürze von Mühlenruinen, deren Sanierung über Jahrzehnte hinweg nicht zustande gekommen ist. Da gibt es ein gravierendes Fehlurteil eines Verwaltungsgerichtes zur Genehmigung eines Wohnhauses in 35 Meter Entfernung von einer Windmühle. Die an sich lobenswerte Initiative einer Stadt zum Nachbau einer „historischen Schiffmühle“ ohne Konsultation des regionalen Mühlenvereins führte zur Errichtung eines technischen Monsters.

Diese und ähnliche Vorfälle wird es wohl immer wieder geben. Sie machen deutlich, dass eine Menge Arbeit zu leisten und stete Wachsamkeit geboten ist. Nur dann wird es gelingen, das technikgeschichtliche Erbe möglichst unverfälscht an die nächste Generation zu übergeben.

Glück zu!

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Askop
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Beiträge: 610

17.11.2009 16:31
#4 Dr. J. Varchmin: Konfliktfeld Mühle Zitat · Antworten

Maschine, Denkmal, Landmarke
Historische Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung

Tagung der BTU Cottbus, 26./27. Oktober 2001



Konfliktfeld Mühle

Autor: Dr. Jochim Varchmin, DGM-Vorstand und Ehrenvorsitzender der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V.


Nach 12 Jahren Erfahrung läßt sich das Thema „Konfliktfeld Mühle“ kurz und prägnant zusammenfassen:
Es gibt keine historische Mühle, die ohne Konflikte wiederhergestellt oder restauriert werden kann. Es kann daher nur eine Strategie zur Diskussion gestellt werden, um die unvermeidlichen Konflikte zu minimieren. Die Gründe für dieses Desaster liegen im folgenden:

1. Jeder Restaurierungsfall hat seine Besonderheiten. Die Übertragung eines erfolgreichen Verfahrens kann und wird in vergleichbaren Fällen fehlschlagen.

2. Vor dem Beginn einer Restaurierung werden die Ziele nicht genau genug definiert. Das Planungsverfahren muss bis zum Schluss und das heißt bis zum neuerlichen Verfall der gerade restaurierten Mühle durchdacht und fortgeführt werden.

3. Bei jedem Restaurierungsvorhaben treffen Gruppen mit sehr unterschiedlichen Interessen aufeinander, die ihre Kompromisse in der Regel erst während der Arbeitsabläufe schließen.

Zur Ausgangssituation

Die Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg führt seit 1991 ein Archiv, in dem alle historischen Wind- und Wassermühlen erfasst und beschrieben sein sollen. Die Führung des Archivs ist eine Daueraufgabe, weil sich jährlich Veränderungen in dem Bestand von noch rund 400 existierenden Wassermühlen und rund 150 Windmühlen einschließlich aller Reste ergeben.
Die Zahl der noch übrig bleibenden Mühlen nimmt ständig ab, obwohl immer einige Restaurierungsvorhaben durchgeführt werden. Dieses Archiv, über das Jürgen Wolf in diesem Heft berichtet, wird seit dem Frühjahr 2001 in Marzahn geführt.
Eine genaue Bestandsbeschreibung bildet die unerlässliche Grundlage für alle Planungen. Es ermöglicht erst Vergleiche, weist auf Einmaligkeiten, Besonderheiten oder Wiederholungen hin.

Ziele

Das wichtigste Ziel bei jedem Restaurierungsvorhaben lässt sich kurz und prägnant zusammenfassen. Es geht um das „Bewahren der historischen Substanz“.
Wenn es nur um die Demonstration der verschiedenen Funktionselemente ginge, dann wäre ein Modell viel aussagekräftiger. Es sollte daher bei jeder Restaurierung mit bedacht werden, ob nicht der Bau eines Modells, der nur einen Bruchteil an Kosten verursacht, die bei einer Restaurierung anfallen, angesagt ist.
Bockwindmühlen sind hölzerne Bauwerke und auch Holländermühlen sind es zum größten Teil. Holz unterliegt mit den Jahren einem natürlichen Abnutzungs- und Verfallsprozess. An den Mühlen wurde daher auch in ihren aktiven Zeiten unermüdlich ausgebessert und verändert.

Die Restaurierung kann daher als Fortsetzung dieser Arbeiten angesehen werden. Im Gegensatz zur aktiven Zeit sollte aber jede Veränderung deutlich erkennbar bleiben. Das Argument, dass die Müller in früheren Zeiten nicht anders gehandelt hätten, genügt nicht, um moderne Veränderungen zu kaschieren. Der Müller hatte in erster Linie die Absicht, die Mühle fuktionstüchtig zu machen, der Restaurator will und soll die historische Substanz erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt muss jedes Brett, jeder Balken, jede Leiste genau betrachtet werden und Entscheidungen getroffen werden, die einem aktiven Müller nicht verständlich sind. Dabei muss weiterhin zwischen wesentlichen und weniger wesentlichen Elementen unterschieden werden.

Prinzipiell muß jede Mühle zunächst einmal als „umhauste Maschine“ definiert werden. Nicht die weithin sichtbare Hülle oder die romantische Galerie, nicht einmal die Flügel bilden die zentralen Elemente. Sie werden von den Arbeitsmaschinen bestimmt, die auch von anderen Kräften als von Wind und Wasser bewegt werden können. Bei allen Mühlen, die einen Status wiedergeben, der über das Jahr 1930 oder sogar 1900 hinaus weist, gehören Flügel oder Wasserräder zu den Kernelementen. Damit ist der Übertragungsmechanismus verbunden mit Wellen, Kamm- und Stirnrädern.

Die Erhaltung einer Mühle als Maschine zieht Probleme nach sich, die von vornherein grundsätzlich entschieden werden müssen. Damit eine Maschine erhalten bleiben kann, muss sie bewegt werden, weil eine ruhende Maschine sehr schnell unbrauchbar wird und damit ihren Sinn verliert. Die Flügel einer Mühle müssen gedreht werden, weil nur auf diese Weise die eindringende Nässe hinaus gedrückt wird und sie somit vor dem schnellen Verrotten bewahrt werden. Auf der anderen Seite muss gesehen werden, dass jede Bewegung Maschinenteile abnutzt, verbraucht und eine Pflege, Aufsicht und Betreuung voraussetzt. Vor dem Beginn jeder Restaurierung muss daher zunächst die Frage beantwortet werden, wer nach der Beendigung der geplanten Arbeiten die Mühle anschließend betreut. Dafür sollte eine kleine Gruppe von etwa fünf Leuten gebildet werden, die mit allen Müllereiaufgaben vertraut gemacht werden muss. Einige sollten auch in der Lage sein, einfache Arbeiten und Reparaturen im Sinne der Restaurierung durchzuführen, weil jeder Betrieb Änderungen erfordert, die nicht von Anfang an geplant werden können. Um die Mühle nach der Restaurierung zu erhalten, muss ein Minimum an Mitteln zur Verfügung stehen, damit die Mühle betriebsbereit bleiben kann. Es muss bei den ersten Planungsphasen überlegt werden, woher diese Mittel kommen.

Ideal und Realitäten

1. Das technik-historische Ideal wird dann erreicht, wenn eine Mühle, gleichgültig ob mit Wind-, Wasser- oder Motorkraft betrieben, als technisches Denkmal erhalten wird, d.h. nach den genauen Vorgaben einer mühlenkundigen Denkmalpflege restauriert wird. Dafür muss ein historischer Status ausgewählt, begründet und umfassend belegt und nicht aus Analogien erschlossen werden. Alle Entscheidungen müssen schriftlich festgelegt und mögliche Alternativen dargelegt werden.


Eine nach diesen Kriterien restaurierte Mühle hat nur in Ausnahmefällen Flügel, weil sie im Laufe einer langen Betriebsgeschichte in der Regel als erstes verloren gehen oder zerstört werden, sie hat nur in Ausnahmefällen eine vollständige, funktionsfähige Tehnik, weil eine Mühle häufig ihren Betrieb deswegen einstellt, weil wichtige Maschinen defekt werden. Historisch kann je nach Erhaltungszustand eine solche Mühle trotzdem sehr viel wertvoller sein als eine wunderbar rekonstruierte, weil ihre Vergangenheit und Spuren ihrer Arbeitsgeschichte erkennbar bleiben.

2. In vielen Fällen sind jedoch Gründe für Entscheidungen akzeptabel, die mehr als den Erhalt des Vorhandenen und eine Wiederherstellung der Grundfunktionen einer Mühle zum Ziel haben. Die Kraftübertragung von der Welle oder dem Rad über die Welle und Kamm- und Stockrädern zum Mühleisen sollte nachvollziehbar und erkennbar sein. Die Mühle sollte in die Lage versetzt werden, Schrot oder sogar Mehl zu produzieren. (Genau genommen sind Mühlen allgemeine Antriebsmaschinen, die weit über hundert verschiedene Aufgaben im Lauf der Geschichte übernommen haben. Es werden jedoch fast nur Getreidemühlen restauriert, sehr wenige Sägemühlen und noch weniger Öl- und Papiermühlen).

Die Entscheidung für die Art der Rekonstruktion muß auch in diesen Fällen schriftlich festgelegt und genau begründet werden. In der Regel müssen Abweichungen vom historischen Vorbild hingenommen werden, weil die Funktionsfähigkeit sonst nicht erreicht werden kann. Aber alle Abweichungen, Ergänzungen und Veränderungen müssen als solche erkennbar sein. Es darf nicht geduldet werden, daß die Imitation „schöner“ wird als das Original.

Eine funktionsfähige Mühle verlangt nach ihrer Fertigstellung eine kontinuierliche und aufwändige Betreuung.
Eine Maschine, die stillgelegt wird, verrottet schneller als eine Maschine, die immer wieder zum Laufen gebracht wird und arbeiten muß. Eine Mühle, die sich selbst überlassen bleibt, wird vom nächsten Sturm oder Hochwasser zerstört, Nässe dringt in das Bauwerk und das Ende droht schneller als die Planer geahnt haben.

Es genügt jedoch nicht die Existenz einer Gruppe, die sich der Mühle annimmt, sie regelmäßig in Gang setzt, sie sauber hält und kleine Reparaturen ausführt. Es muss von vornherein gesehen werden, dass jährlich kleine Investitionen unbedingt nötig sind, um das Leben der Mühle zu erhalten und zu verlängern. Eintrittsgelder von Touristen reichen dafür nicht aus, es müssen Sponsoren gesucht werden, die eine Mühle als Kulturgut anerkennen und bereit sind, finanzielle Opfer zu bringen wie für die Erhaltung eines kleinen Schlosses oder einer historisch wertvollen Kirche.

3. Mit öffentlichen Mitteln oder über Sponsoren kann nur ein kleiner Teil der historischen Mühlen erhalten werden. Trotz ständig wachsendem allgemeinen Reichtums werden die Mittel für den Kulturbereich kontinuierlich gekürzt. Es müssen daher Wege gesucht werden, die zu einer finanziellen Eigenständigkeit der Mühlen führen. Dabei müssen Kompromisse zwischen den Anforderungen der Denkmalpflege und den Möglichkeiten, Finanzen zu erwirtschaften, gefunden werden. Touristen, die mit ihren Eintrittsgeldern einen kleinen Beitrag zur Erhaltung leisten, geben sich z.B. kaum mit einer Mühle zufrieden, die keine Flügel mehr hat, die keine Maschinen mehr in Bewegung setzten kann und nur ein stilles Denkmal ist. Es müssen andere Wege zusätzlich gefunden werden. Bei einer Getreidemühle bietet sich als erstes der Verkauf von Mehlprodukten an, wobei aber gleich beachtet werden muss, das eine einfache Konkurrenz zu Großmühlen, die Gereide billig einkaufen und verarbeiten können, ausgeschlossen ist. Es müssen Nischen besetzt werden, indem z.B. ökologische Produkte, seltene Getreidearten oder Futtermittel für Tiere angeboten werden. Einfach ist der Verkauf von Mühlenprodukten nie, weil ein kontinuierlicher Absatz selten möglich ist. Der Anschluss an ein gut organisiertes Vertriebsnetz bringt viele Vorteile, aber auch die Verpflichtung einer kontinuierlichen Produktion.
Kleinunternehmen dieser Art haben oft zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Die Voraussetzungen für einen ergänzenden Nebenerwerb sind jedoch selten gegeben.
Es müssen daher alle weiteren Möglichkeiten geprüft werden, von denen einige im folgenden kursorisch aufgeführt werden.

a. Erzeugung von elektrischem Strom.
Dies kommt in erster Linie für Wassermühlen in Frage. Bei einer kleinen Mühle mit einer Leistung von 10 kW können bei den derzeitigen Preisen von ca.0,08 Euro pro kWh rund 5000 Euro pro Jahr als Einnahmen erwartet werden. Bei historischen Windmühlen ist der Antrieb eines Generators nicht sinnvoll, weil die gesamte Tech-
nik nicht auf die Abgabe einer ununterbrochenen Höchstleistung entwickelt worden ist.

b. Für die Erhaltung von Motormühlen wird in Brandenburg zur Zeit ein neues Konzept erprobt. Dabei geht es um die Erzeugung von Rapsöl, das sich zum Betreiben von Dieselmotoren etwa in Blockheizkraftwerken hervorragend eignet.

c. Als letzte Möglichkeit soll die Umnutzung einer Mühle zu einer Gaststätte oder Wohnung genannt werden. Die Einnahmen sind hierbei deutlich besser als bei allen anderen Nutzungen, aber von der Mühle bleibt in der Regel nur sehr wenig erhalten. Das Ziel, Einnahmen zu erreichen oder einen originellen Wohnsitz zu gestalten, überdeckt sehr schnell alles andere.
Der Hinweis auf eine historische Mühle und einen Mühlenstandort bleibt wenigstens erhalten. Öffentlich genutzte Räume wie Gaststätten sollten darüber hinaus Hinweise auf Mühlen in der Region anbieten. Auch dadurch erfüllen sie eine wichtige Funktion.

Ziele, Interessen und Konflikte

So vielfältig die möglichen Ziele bei der Wiederherstellung einer Mühle sind, so zahlreich sind die Parteien, die mit unterschiedlichen Interessen bei den Planungen aufeinander treffen. Prinzipiell sind immer öffentliche Interessen im Spiel, weil jede Mühle ein technisches Denkmal ist.


Die wichtigsten Parteien sind in der Regel die folgenden:
- Die Eigentümer
- Die Denkmalpflege
- Die Förderinstitutionen
- Die Umweltämter
- Die ausführenden Firmen
- Die Öffentlichkeit

Der Eigentümer, der eine öffentliche Institution, ein Verein oder ein Privatmann sein kann, muss die Initiative und Verantwortung übernehmen. Er muss das technische Denkmal erhalten, aber auch verwerten. Er hat dabei ein natürliches Interesse, seine Kosten zu minimieren, sowie kurz- und langfristige Finanzquellen zu erschließen. Alle Konfliktlinien werden in seinem Bereich fokussiert.

Die Aufgaben der Denkmalpflege sind klarer als die des Eigentümers definiert. Ist einmal entschieden, dass eine Mühle technik-historisch wertvoll und erhaltenswert ist, so werden die Vertreter der Denkmalpflege immer darauf drängen, einen möglichst großen Teil des historischen Bestandes zu erhalten. An dieser Stelle werden sie immer die Unterstützung der Mühlenvereine finden, die satzungsgemäß das Ziel haben, historische Mühlen zu erhalten. Sie haben auch das Wissen, das für die Analyse der Maschine und der Abläufe in einer Mühle notwendig sind. Sie sind zudem bereit, notwendige historische Recherchen und Interviews mit Müllern, die in den alten Mühlen gearbeitet haben, durchzuführen. Ein großer Teil der Aufgaben kann daher an Mitglieder von Mühlenvereinen delegiert werden, so dass die Denkmalpflege bei ihren zahlreichen Aufgaben etwas entlastet werden kann. Die Delegationsaufgaben sollten aber möglichst genau und schriftlich mit allen finanziellen Kosten definiert werden. Allzu gerne wird bei Konflikten die Schuld denjenigen zugewiesen, deren Aufgaben am ungenauesten bestimmt sind, die freiwillige Beraterfunktion übernommen haben und die sich am wenigsten wehren können.

Den größten Einfluss auf die Restaurierung oder den Rekonstruktionsablauf haben die Förderinstitutionen, weil der Geldgeber die Ziele festlegen kann und nur dann die Gelder herausgeben wird, wenn alle Beteiligten zustimmen. Für die Mühle als historisches Denkmal ist es sicherlich das Beste, wenn die Fördermittel über die Denkmalpflege ausgegeben werden, weil dann die Auflagen entsprechend sachgerecht formuliert werden. Die Mittel aus diesem Bereich sind jedoch außerordentlich stark begrenzt. In Brandenburg kamen in den letzten Jahren hauptsächlich Fördermittel aus dem Landwirtschaftsministerium mit dem Ziel der Dorferneuerung oder der Stärkung strukturschwacher Regionen. Mit der Annahme von Fördermitteln dieser Art sind gleichzeitig Kompromisse verbunden, die die Existenz und den Weiterbestand eines technischen Denkmals im Kern berühren. Das Programm der Dorferneuerung zielt auf die Herstellung schöner Fassaden und beachtet nicht das Wesentliche einer Mühle, die Maschinen im Inneren. Windmühlen werden nur dann erneuert, wenn sie gleichzeitig Flügel - und seien es auch nur preisgünstige Attrappen - erhalten.

Bei dem Programm zur Förderung strukturschwacher Regionen geht es in erster Linie um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Es werden daher vor allem Wassermühlen in Gaststätten umgewandelt, ein Ziel, das aus den oben angeführten Gründen in der Denkmalpflege oder bei den Mühlenvereinen die letzte Wahl bedeutet.

Fördermittel kamen nach 1990 auch aus dem Umwelt-und Wirtshaftsministerium Brandenburgs. Ziel war es, Wasserkraft als ökologisch bedeutsame Energiequelle zu nutzen. Brandenburg ist jedoch ein sehr flaches Land mit nur wenigen größeren Wasserkraftanlagen. Als Regulierungsbehörde werden die Umweltämter immer eingreifen, wenn es um die Reaktivierung historischer Wassermühlen geht. Sie geben die prinzipielle Erlaubnis für die Nutzung von Wasserkräften, ohne die keine Mühle wieder errichtet werden darf, und legen die Restwassermengen fest, die neben dem Wasserrad oder der Turbine in der Freiarche verbleiben muss, damit die Fischwege erhalten bleiben. Sie entscheiden über die Auflagen und verlangen unter Umständen den Bau einer Fischtreppe, wobei zu wenig beachtet wird, dass die finanziellen Aufwendungen für eine Fischtreppe in keinem Vehältnis zum ökonomischen Nutzen einer Wassermühle stehen und das das nächste Wehr, ein unüberwindliches Hindernis für Fische, oft nur mehrere hundert Meter weiter entfernt ist.

Es gibt darüber hinaus bei einigen Naturschützern Tendenzen, Wassermühlen vollständig aus den Bachläufen zu entfernen, ohne zu bedenken, dass sie einige hundert Jahre bestanden haben und die gesamte Wasserökologie bestimmen, u.a. auch den Spiegel des Grundwassers. Eine Aufhebung von Wehren ist immer mit einem schnellen Abfluss und damit einem weiteren Sinken des Grundwasserspiegels verbunden. Wassermühlen haben in diesem Sinne eine ökologische Funktion gehabt und sollten sie auch behalten. Es wäre wünschenswert, dass sich ein umfassenderes Verständnis, wie Natur erhalten werden soll, durchsetzt. Das hieße, die gewachsene Kulturlandschaft zu beachten und zu pflegen, die Auswüchse, wie sie eine radikale Melioration zur Folge hatte, zu beschneiden, aber die menschlichen Artefakte durchaus als Teil der gewachsenen Kultur zu begreifen. Auch die radikalen Naturschützer, die eine vermeintliche Ursprünglichkeit wieder herstellen wollen, schaffen nur Artefakte, also neue Kulturlandschaften. Ein solches Verständnis hat oft zur Folge, dass kleine Reservate mit sogenannter reiner Natur gebildet werden und alle anderen Bereiche einer radikalen Industrialisierung preisgegeben werden.

Wenn Fördermittel zur Verfügung stehen, greifen ausführende Firmen in das Geschehen ein. Sie bringen neue Interessen ins Spiel. Erst einmal sind sie gehalten, möglichst sorgfältig geplante Arbeiten umzusetzen. Bei historischen Bauten und erst recht bei Mühlen sind jedoch vollständige und umfassende Planungen von vornherein unmöglich. Erst im Laufe der Arbeiten zeigt es sich, dass manche Bauteile doch vollständig erneuert werden müssen, dass an anderen Stellen der Aufwand, historische Substanz zu erhalten, sehr viel größer ist als erwartet. Im Allgemeinen sind jedoch die finanziellen Vorgaben unveränderbar. Dadurch wird die Firma im Laufe der Arbeit immer mehr dazu gedrängt, einfachere Methoden, billigeres Material und sogar verdeckte Fehler hinzunehmen, um das Defizit in Grenzen zu halten. Dies geschieht durchaus in Absprache mit dem Bauherren, weil es anerkannte Sachzwänge sind. Der Sache und dem Ziel, eine vertretbare historische Restaurierung am Schluss vorweisen zu können, wird dabei jedoch schwerer Schaden zugefügt. Diese Art des Vorgehens liegt nur im Interesse einer formal korrekten Abrechnung, aber nicht im Interesse der Auftraggeber oder der ausführenden Firma, die ihren Ruf durch diese Art der Arbeit gefährdet.
Nach Beginn der Arbeiten melden sich zunehmend andere Interessenten zu Wort. Dazu gehört in erster Linie die Öffentlichkeit aus der näheren Umgebung. Sie nimmt Anteil an dem Denkmal, das in der Vergangenheit in die Öffentlichkeit hineinwirkte, dessen Verfall mit Sorge betrachtet wurde und dessen Restaurierung nun kommentiert und mit vielfachen Wünschen begleitet wird. Im allgemeinen wird der Wunsch zum Ausdruck gebracht, ein Denkmal zu erhalten, das so schön und attraktiv wie irgend möglich sein soll, schöner als es je gewesen ist. Die romantische und sentimentale Seite der Mühlengeschichte soll hervorgehoben, die mühselige, die mit Arbeit und Schweiß verbunden war, soll vergessen bleiben.
Von anderen Seiten wird das Vorhaben aber auch u.U. bekämpft; Neid spielt dabei eine Rolle oder vermeintliche wirtschaftliche Interessen. Die zahlenmäßig mächtigen Fischereivereine z.B. sind davon überzeugt, dass jede Wassermühle ein Feind der Fische ist. Es mag dabei eine Rolle spielen, dass Wassermüller in früheren Zeiten oft auch Fischzüchter gewesen sind und daher also Konkurrenten. Durch ihre politischen Verbindungen und beharrliche Lobbyarbeit bilden die Fischer oft erhebliche Hürden vor der Wiedererrichtung einer Wassermühle.

Insgeamt bildet sich bei den Planungs- und Restaurierungsarbeiten ein Spiel der verschiedenen Interessenkräfte heraus, das über das zukünftige Schicksal der Mühle entscheidet. Dieses Spiel muß unbedingt bewusst gemacht, aufgedeckt und beherrscht werden.

Die Rolle der Mühlenvereine

Der Weg zu der Wiederherstellung einer historischen Mühle zwingt in der Regel zu einer großen Zahl von Kompromissen, die für einen Außenstehenden nur schwierig zu durchschauen sind. Gerade deswegen sind Erfahrungen nötig und müssen schon bei den Planungsarbeiten angefordert und berücksichtigt werden.

Dies beginnt beim Erfassen und Beschreiben des Bestandes, wofür Spezialkenntnisse, die sehr selten geworden sind, nötig sind. Bei den Planungen und Durchführungen der Restaurierungsarbeiten ist immer wieder Verständnis für die Interessen der unterschiedlichen Parteien und für die oft einander entgegengesetzten Standpunkte nötig. Um die Fördermittel zu erhalten, muss in der Regel ein Vertrauensverhältnis zum Mittelgeber aufgebaut werden. Erfolgreiche und gut durchgeführte Projekte sind die besten Väter für weitere Projekte. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass sich das Interessenspektrum nie wiederholt und das in jedem Fall ein flexibles Vorgehen gefordert ist. Die Grundlage jeder kulturellen Tätigkeit wird durch eine kontinuierliche und gut fundierte Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Dafür müssen Gespräche mit der Presse und den Medien gesucht und immer wieder die Bedeutung der historischen Mühlen klar gemacht werden.

Die Mitglieder der Mühlenvereine sind dabei natürliche Multiplikatoren für eine stetige Lobbyarbeit. Sie bilden das Sammelbecken für die unerlässlichen und vielfältigen Erfahrungen und sie sind immer bereit, sie für neue Projekte zur Verfügung zu stellen.

Glück zu!

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Onno ( gelöscht )
Beiträge:

18.11.2009 10:55
#5 Anspruch und Realität?! Zitat · Antworten

Grundsätzlich finde ich die Ergebnisse der Tagung gut und richtig. Den Beiträgen ist vorbehaltlos zuzustimmen, ja mehr noch: ich finde diese geradezu richtungsweisend und als ausgezeichnete Pflichtlektüre für jeden Mühlenfreund und jede mit Mühlen befaßte Kommune oder Behörde einschließlich Denkmalschützer!

Ansatz und Anspruch waren/sind ja hoch löblich:

Zitat von Erhard Jahn
Diese und ähnliche Vorfälle wird es wohl immer wieder geben. Sie machen deutlich, dass eine Menge Arbeit zu leisten und stete Wachsamkeit geboten ist. Nur dann wird es gelingen, das technikgeschichtliche Erbe möglichst unverfälscht an die nächste Generation zu übergeben.

Was ist daraus geworden? Hat sich in den 8 Jahren seither irgendwo und irgendwas zum Positiven gewendet?

Ich befürchte, dass bei einer realistischen Bestandsaufnahme der heutigen historischen Mühlenlandschaft in Deutschland die Fälle gravierender Fehlsanierungen auch nach der Tagung nicht geringer geworden sind und auch fernerhin passieren. Ich befürchte weiterhin, dass der an sich so richtige Appell des DGM-Präsidenten Jahn zur Verhinderung von Fehlsanierungen (es ist "eine Menge Arbeit zu leisten und stete Wachsamkeit geboten") ungehört verhallt ist und nicht mal in den eigenen Reihen auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Alles geht weiter wie bisher, als ob es die Tagung und deren Publikation nie gegeben hätte.

Traurig und ... schade um die Mühe!
Oder ... gibts auch Positives zu vermelden? Es würde mich freuen.

Krüsse aus dem Norden!
Onno

schneckentrieur ( gelöscht )
Beiträge:

18.11.2009 11:40
#6 RE: E. Jahn (DGM): Histor. Mühlen - Konflikt um eine Denkmalgattung Zitat · Antworten

Zu den Positionen von E. Jahn gibt es sowohl von mir als auch von Rüdiger Hagen umfangreiche Stellungnahmen, die wir seinerzeit dem DGM-Präsidenten schriftlich und persönlich (!) zugestellt haben. Weder Rüdiger noch ich haben darauf jemals irgend eine tiefer gehende, inhaltlich befriedigende Antwort erhalten.

Mich juckt's natürlich auch heute noch in den Fingern, da wieder etwas öffentlich zu erwidern - gerade zu dem Punkt, wo das Versagen derjenigen Vereine, die sich den Mühlenerhalt explizit auf die Fahne geschrieben haben, am eklatantesten ist, weil sie selber nicht einmal den Anspruch haben, etwas in dieser Sache zu unternehmen: gewerbliche bzw. betriebliche Nutzung der Mühlen.

Es wird unreflektiert fortgeschrieben, was seit Jahrzehnten (west-)deutsche Praxis in der Mühlenerhaltung war:
Erhalt durch faktische Stilllegung. Das hat einen tiefen Graben zwischen gewerblicher Müllerei und Vereinsmühlenerhaltung geschaffen, den wohl niemand besser fühlt als Rüdiger und ich. Wohin wir in der handwerklichen Müllerei auch schauen, wir werden als Mühlenerhalter zunächst mal in die von den (Mühlen)Vereinsoberen bislang favorisierte Heimatkunde- und Mühlenromantik-Ecke gestellt, wo wir ganz erhebliche Probleme haben, uns herauszuargumentieren...

Aber ich wiederhole mich und drehe mich mantrenartig im Kreis, denn anscheinend ist kein Kraut gewachsen gegen die Dominanz niveauloser Vereinsmüllerei.

Mit resigniertem Grüßli!

Florian Eickmann
der sich schon wieder innerlich in Richtung Marokko verabschiedet

Jana



Beiträge: 288

28.04.2011 21:17
#7 RE: Anspruch und Realität?! Zitat · Antworten

Zitat von Onno
...ich finde diese geradezu richtungsweisend und als ausgezeichnete Pflichtlektüre für jeden Mühlenfreund und jede mit Mühlen befaßte Kommune oder Behörde einschließlich Denkmalschützer!

Das war sehr interessant. Ich lasse mich mal von der Resonanz in Syrau überraschen.

Liebe Grüße aus dem Vogtland/Sa.

Jana

Schmiede



Beiträge: 509

29.04.2011 10:45
#8 RE: Anspruch und Realität?! Zitat · Antworten

Zitat von Jana
Das war sehr interessant. Ich lasse mich mal von der Resonanz in Syrau überraschen.

Genau für so etwas ist ein Forum da! Da unterhalten sich Leute über Dinge mit denen sie mehr oder weniger jeden Tag zu tun haben. Diese Informationen sollte man aufnehmen und nochmals hinterfragen. Es muss ja nicht alles richtig sein, was in so einem Forum geschrieben steht!
Wissen ist die Summe an Informationen!

Gruß aus der Schmiede!
Andreas
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Wer nicht lesen will, der soll es sein lassen!

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