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Mühlen- und Müllerforum "Glück zu!"

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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Presseschau
ultratrieur



Beiträge: 2.209

03.01.2011 12:50
Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

Wow - wieder eine niedersächsische Mühle unter Vernichtung denkmalwerter Technik "gerettet"!

Am 30.12.2010 in der "Schaumburg-Lippische Landes-Zeitung":

Zitat
Eigentümerin rettet alte Mühle vor dem Verfall

Große Zäsur in der Geschichte der Ahnser Mühle: Eigentümerin Rita Madaus hat das unter Denkmalschutz stehende Wahrzeichen, das einst einer der Mittelpunkte des Dorfes war, mit einem Aufwand von 300 000 Euro von Grund auf saniert – und damit vor dem Verfall gerettet. Das Innere des 1899 an derselben Stelle wie sein abgebrannter Vorgänger errichteten Objekts wurde dabei unter Regie der Firma Oelers mit Sitz in Lübeck, die als Generalunternehmer fungiert, vollständig entkernt und umgebaut; zum Festpreis: Jetzt bergen die Mauern drei bereits vermietete Wohnungen, deren letzte in diesen Tagen bezugsfertig wird.

„Entweder jetzt – oder niemals“

„Ich bin in Ahnsen aufgewachsen und der einzige Nachkömmling der früheren Müllerfamilie. Im Frühjahr 2010 habe ich mir gesagt: Du nimmst die Sanierung entweder jetzt in Angriff – oder niemals“, erklärt die 60-Jährige ihre Motivation. Rita Madaus, geb. Schönbier, arbeitet als Lehrerin für Französisch, Philosophie und Russisch in Lübeck. „Die auf ein Bauwerk aus dem Jahre 1577 zurückgehende Mühle ist seit 1928 im Familienbesitz“, erklärt Heinz Schönbier. Der heute 83-Jährige war der letzte Müller, der den Betrieb bis zum Jahre 1995 aufrecht erhielt. Er lebt heute in der Residenz am Harrl, lässt es sich aber nicht nehmen, an seinem alten Arbeitsplatz ab und an nach dem Rechten zu schauen. Schönbier: „Im Jahre 1938 hatten wir neue Maschinen/Turbinen angeschafft, die Wasserräder entfernt.“ Das war der technische Zustand, in dem Rita Madaus das Bauwerk vorgefunden hat, als sie es vor eineinhalb Jahren übernahm.

Weil ihr die Arbeiten an dem Altbau am Herzen liegen, reist sie einmal die Woche von der Marzipanstadt nach Ahnsen. „Durch den zweimaligen Einbruch des Winters hat sich der Fortgang der Sanierung leider etwas verzögert – aber ich bin zuversichtlich, dass wir zum Ende des Jahres fertig sein werden“, sagt die Eigentümerin. Viel fehlt nicht mehr: Die mittlere der drei Wohnungen soll zur Aue hin noch einen Balkon erhalten, die Eingangstreppe ein Geländer. Das war’s dann.

Wer mit dem Auto an der Mühle vorbeifährt, sieht auf einen Blick, welch enormen Aufwand Rita Madaus betrieben hat, um das Äußere der Mühle wiederherzustellen – und freut sich. So wurde die Backsteinfassade im Schulterschluss mit den Denkmalschützern beim Landkreis auf allen vier Seiten sandgestrahlt und neu verfugt; aus Mitteln des Denkmalschutzes flossen dabei 15 000 Euro. Außerdem hat das Gebäude neue Schallschutzfenster erhalten – maßgefertigt, versteht sich. Last, but not least sind auch die Gitter vor den Fenstern saniert worden, was „extrem aufwendig“ gewesen ist, wie Rita Madaus berichtet. Das Dach hingegen ist bereits vor acht Jahren erneuert worden; daran hatte sich der Denkmalschutz ebenfalls beteiligt.

Extrem aufwendig ist jedoch auch der Innenausbau mit der großen Spindeltreppe, welche die drei Wohnetagen verbindet. Im Treppenhaus sollen in Kürze alte Jutesäcke und historische Fotos an die wechselvolle Geschichte des Bauwerks, in dessen Keller im Zuge der Sanierung auch ein Brunnen freigelegt wurde, erinnern. Denn an die Maschinen, die noch bis vor Kurzem dort standen, erinnert inzwischen nichts mehr. „Die Walzenstühle“, sagt die Eigentümerin, „haben wir dank der Vermittlung durch die Denkmalschützer an einen Pferdefutter-Fabrikanten nach Island verkaufen können; anhand der Original-Baupläne wurden sie zunächst zerlegt, ehe sie dann verschifft werden konnten.“ Andere Gerätschaften wurden bei einem Einbruch im Februar gestohlen oder aber vor Ort zerschlagen – „zum Beispiel die großen Plansichter“, bedauert Rita Madaus.

Die Nachfrage war enorm

Doch wie auch immer. An der Stelle, die die alte Technik einnahm, sind jetzt drei moderne Mietwohnungen entstanden, unten und in der Mitte je 85 Quadratmeter und oben immer noch 78 Quadratmeter groß. „Die Nachfrage von Interessenten“, so die Eigentümerin, „war enorm“. Besonders schön: Frei nach dem Motto: „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ wird auf der Rückseite des Gebäudes mittels eines Wasserkraftwerkes alternative Energie erzeugt; seit dem Jahre 2006 mithilfe einer großen Durchstromturbine.

Dabei ist die Sanierung der Mühle nur das „mittlere“ von am Ende drei Vorhaben, die sich Rita Madaus zum Ziel gesetzt hat. Das Erste, die Erneuerung des Mühlenhauses, das zu einer Doppelhaushälfte wurde, hat die Lübeckerin 2005 abgearbeitet. Mit dem Umbau der Mühle selbst wird sie Ende dieses Jahres fertig. Bleibt noch Vorhaben Nummer drei, die Sanierung des neben der Mühle gelegenen Sägewerks, das eine Grundfläche von 220 Quadratmetern hat. „Das“, sagt sie, „habe ich mir für 2011 vorgenommen“. Auch im ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Sägewerk möchte Rita Madaus Mietwohnungen errichten lassen, drei an der Zahl. Dazu sollen Garagen respektive Carports kommen sowie ein Grillplatz, auf einem Podest direkt an der Aue gelegen.



Link zum Artikel: http://www.landes-zeitung.de/portal/loka...rid,297133.html#

Dazu u.a. dieses Bild:



Bilder aus besseren Tagen finden sich hier: http://www.sedan.uni-osnabrueck.de/~stahlhot/ahnsen.html


Kann man nur hoffen, dass die Kollegen in Island noch lange ihre Freude an den schönen Walzenstühlen haben werden - die Mühle und Sägewerk in Ahnsen kann man wohl als Totalverlust abschreiben. Schöne Niedersächsische Mühlenwelt!

Gruß und GZ!

Flrian



Flo der Liebe

Askop
Administrator


Beiträge: 610

03.01.2011 13:16
#2 RE: Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

Bei solchen Aktionen frage ich mich immer nach den Gründen, warum eine Mühle ursprünglich einmal auf die Denkmalliste gesetzt wurde. Was war denn das eigentliche Ziel der Unterschutzstellung? Die Fassade wird es wohl nicht gewesen sein, oder?

Glück zu!

ultratrieur



Beiträge: 2.209

03.01.2011 13:45
#3 RE: Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

OK, OK, man könnte auch fragen, warum überhaupt solche Mühlen inkl. Technik auf Denkmallisten landen. Von der Sorte gibt oder gab es Hunderte, wenn nicht Tausende und die Besonderheiten des Diagramms (6 Passagen auf nur vier Walzenpaaren) wird sicher auch niemanden im Landesamt interessiert haben.

Aber ich will nicht meckern: Niedersachsen braucht nicht an jeder Straßenecke eine Museums- oder Denkmalmühle. Andererseits wäre es schon schön, wenn es wenigstens ein paar dieser ehedem tausendfach vetretenen Bauten ins nächste oder übernächste Jahrzehnt schaffen. Vom Erhalt der Kleinbetriebe, um den sich in der Mühlenvereinswelt offenbar niemand schert, will ich mal gar nicht wieder anfangen...



Flo der Liebe

Askop
Administrator


Beiträge: 610

03.01.2011 14:45
#4 RE: Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

Zitat von ultratrieur
OK, OK, man könnte auch fragen, warum überhaupt solche Mühlen inkl. Technik auf Denkmallisten landen.

Einverstanden! Dann tun sich aber doch etliche Fragen auf!

Ursprünglich wird man ja wohl die ganze Mühle als solche unter Schutz gestellt haben, also inkl. Technik. Dem Artikel ist zu entnehmen, dass die Mühleneignerin bei der Umnutzung zur Wohnmühle mit dem Denkmalschutz zusammen gearbeitet hat.

Hä? Wie muß man sich eine solche Zusammenarbeit vorstellen? Wurde der Denkmalstatus gänzlich oder teilweise (nur für die Technik) aufgehoben?

Bezieht sich dann der Denkmalstatus nur noch auf das äußere Erscheinungsbild einer ehemaligen Mühle? Welchen Sinn würde das machen?

Glück zu!

ultratrieur



Beiträge: 2.209

03.01.2011 15:37
#5 RE: Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

Also um es mal gaaanz schwarz zu malen: ich glaube nicht, dass sich in diesem Fall jemand in den Denkmalbehörden nen Kopp um diese Fragestellungen gemacht hat. Erhalt der Technik ist der Eigentümerin wirtschaftlich nicht zuzumuten, also raus mit dem Sch. Das übliche Vorgehen eben... und die Möglichkeit, den Abbruch mit der Auflage einer fachgerechten Dokumentation der Maschienrie zu verbinden, wird seltenst genutzt - obwohl ein kleiner 4-stelliger Betrag für so eine Doku im Rahmen der Gesamtbaumaßnahme und der zu erwartenden Rendite der Eigentümerin in jedem Fall zuzumuten wäre.

Aber wer weiß, vielleicht war ja jemand wie der LüLüMann vor Ort und ich weiß nur von nix - wär ja möglich!


In jedem Fall führen mir solche Beispiele glasklar vor Augen, dass die Versuche der letzten 50 Jahre, über Mühlenvereine Mühlen zu erhalten, kläglich gescheitert sind. Betriebe wie diesen gibt es (fast) nicht mehr, und wenn ich die bürokratischen Hürden sehe, die den Kleinbetrieben ohne jede Gegenwehr von Seiten der Interessenverbänden behördlich in den Weg gelegt werden, habe ich auch keine Hoffnung für die wenigen Verbliebenen. Man lässt sich eben lieber lächelnd mit der "Putin" und einem Sack BIOLAND-Roggen fotografieren um € 9.000,- für neue Fenster (?) zu bekommen, als die echten grundlegenden Probleme anzusprechen und anzupacken. Sorry, wenn sich jetzt jemand auf den Schlips getreten fühlt, aber so isses doch, oder??

Gruß und GZ!

Flrian



Flo der Liebe

Askop
Administrator


Beiträge: 610

03.01.2011 17:45
#6 RE: Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

Zitat von ultratrieur
so isses doch, oder??

Ja, so isses DOCH!

Trotzdem bleibt die Frage des WARUM und WOFÜR einer Mühle auf der Denkmalliste, wenn es am Ende doch keine S interessiert?

Warum schaffen es die "molinologischen Fachverbände" (puh, so'ne Wortschwulst) bzw. "mühlenmäßigen Interessenvertreter" seit zig Jahren nicht, eine klare und einheitliche Vorgehensweise der Denkmalbehörden bei den Kultusministerien durchzusetzen?

Z.B. gelten im Land Brandenburg gem. Denkmalschutzgesetz alle "vorhandenen Windmühlen und Windmühlenrümpfe" automatisch als Denkmal - unabhängig davon, ob die Mühle in der Denkmalliste verzeichnet ist oder nicht. Und kurioserweise auch unabhängig von der Nutzung! Laut Denkmalliste gilt die voll funktionsfähige und produzierende Straupitzer Windmühle genauso als Denkmal wie die Wohnmühlen Hohenbrück (Bockwindmühlendatscha im Kiefernwald mit Flügelattrappen) und Groß Leine (flügellose Holländermühle).

Das Verrückte dabei: Das Denkmalschutzgesetz führt zwar die unterschiedlichen Denkmalgattungen auf (Bodendenkmal, Baudenkmal, techn. Denkmal, Flächendenkmal, bewegliches Denkmal), bei den Mühlen aber fehlt die konkrete Zuordnung. So weiß man also nicht, ob eine Mühle als technisches Denkmal oder als Baudenkmal bewertet wird.

Möglicherweise liegt ja hier schon der Hund begraben und gestattet allerlei Sünden gegen das "Denkmal Mühle", z.B. durch die Entsorgung von Technik oder Verfremdung durch unsachgemäße Rekonstruktion.

Es wäre wirklich schön, wenn die Interssenvertretungen bzw. Sachwalter der Mühlen mit den Denkmalschützern hier mal zu einer abgestimmten Linie und Vorgehensweise kommen könnten.

Glück zu!

ultratrieur



Beiträge: 2.209

03.01.2011 18:06
#7 RE: Ahnsen (Nds): Mühle gerettet - Technik geht nach Island Zitat · Antworten

Das eigentliche Problem liegt meiner Meinung nach noch viel tiefer: Denkmalschutz und Denkmalschützer definieren das Denkmal unisono mit der entsprechenden Gesetzgebung als Sache. Egal ob als technische oder bauliche Sache, verhindert das eine Sichtweise, wie sie z.B. im Naturschutz mitlerweile Allgemeingut geworden ist: wer den Sibirischen Tiger vor dem Aussterben bewahren will (warum auch immer man das tun will...), der wird versuchen, die Gründe für seine Bedrohung abzustellen, also Jägern das Jagen verbieten, die Dezimierung von Beutetieren stoppen und große Schutzgebiete einrichten, in denen sich der Tiger frei und ohne Fluchtstress bewegen kann.

Dem entgegen steht immer noch der klassische Denkmalansatz, der die Mühle als totes Objekt sieht, ohne sich um die kulturelle "Software" zu kümmern, die aber m.E. ebenso wichtig wie - wenn nicht wichtiger als - die Mühle selbst ist. Hobbymüllerkurse helfen da vielleicht temporär, sind aber im Grunde meist nur das ausgestopfte Tigerfell, das für Touristen durch die Taiga bewegt wird bzw. selbst wenn's gut gemacht wird nicht mehr als der Tiger im Freigehege des Berliner Tierparks.

Richtig schlimm ist an dieser Situation jedoch die mangelnde Einsicht und Selbstkritik der Mühlenvereine.
In den vergangenen jahren standen ein paar Jubiläen von Landesvereinen an, da hätte es die Möglichkeit zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit gegeben: "Sorry Leute - wir haben bisher auf ganzer Linie versagt... wir werden's in Zukunft anders versuchen..." aber nee, es werden selbstbeweihräuchernde Hochglanzbroschüren unters Volk gebracht, in denen z.B. ein westfälischer Landrat seinem Vorgänger anerkennend auf die Schulter klopft, was man doch tolles in Brandenburg geleistet hat - obwohl nun wirklich jeder in der Mühlenwelt weiß, dass eben nicht wegen der Aufbauhilfe dort eine funktionierende Mühle steht, sondern trotz der gut gemeinten Unterstützung...
Wahrscheinlich war man aber in Potsdam so in Feierlaune und das Heftchen noch nicht voll, dass diese Realsatire mal eben als Ernst durchgerutscht ist... sorry, eigentlich Off-Topic, das hätte jetzt schon wieder einen eigenen Thread verdient .

Gruß und GZ! zum Feierabend

Flrian



Flo der Liebe

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