Zitat von Rolf im Beitrag #20
ich merke auch: die Ursache sind eigene Fehler, das weiß man hinterher sehr gut, aber nicht gerne. Und: Fehler haben in solchen Situationen Lawineneffekt: da kommt ganz schnell der nächste, den man sonst nicht gemacht hätte... Ich kriege echt Herzklopfen, wenn ich das hier nochmal so schreibe, aber ich kann es auch beten.
Hinterher: Analysieren, selbstkritisch, kritisch, ändern...Manche Änderungen sind sehr mühselig nach 20 Jahren Gewohnheit! Da ist auch ein Wurm drin!
Hallo Rolf, allerherzlichsten Dank für deine anschaulichen und offenen Darlegungen. Damit sprichst du mir zutiefst aus der Seele, denn im Grunde decken sich deine Erfahrungen und Standpunkte mit meinen ... und die sind eben kein weltfremdes Gefasel, sondern erlebte Realität!
Völlig unwichtig, ob sich jemand bei Sturm in die Kappe traut ... oder nicht. Ich würde ja auch nicht in jede Kappe gehen wollen, aber zu unserer (Straupitz) habe ich volles Vertrauen, denn sie bringt ca. 25 t auf die Waage. Ist auch relativ gemütlich da oben, weil unsere Kappe rundum (auch achtern) geschlossen und dadurch nicht verschmutzt ist wie viele andere. Zudem befinden sich innerhalb unserer Kappe ein paar wichtige Bedienelemente wie die
Kappenvordrehung per Hand (Kurbel am Windrosengetriebe):
WR-Getriebe mit Handkurbel.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
die Ausrückung des Windrosengetriebes und die Feststellbremse der Windrose:
Windrosenbremse.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Auch haben wir in der Kappenspitze einen Windrichtungspfeil, der mit der Wetterfahne verbunden ist:
Windpfeil.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Somit kann man innerhab der Kappe jede Windrichtungsänderung wahrnehmen und ggfs. schnell eingreifen.
Meine Nachtschicht in der Kappe während "Kyrill" (18.01.2007) war für mich hoch spannend. Das ohrenbetäubende Heulen und Pfeifen des Sturms, das Ächzen im Gebälk, das Zittern, Beben und kurzzeitige Hüpfen der Kappe, der wild herumspringende Windpfeil ... Ein beeindruckendes Erlebnis, was sich tief eingegraben hat. Aber ich hatte zu keiner Zeit Angst oder gar ein Gefühl von Lebensgefahr. Ganz im Gegenteil war ich mir ziemlich sicher, den Sturmgewalten nicht macht- und hilflos ausgeliefert zu sein und die Sache zu beherrschen. Besorgte Mitarbeiter haben mich per Handy in der Kappe angerufen und Hilfe angeboten. Was ich aber nicht für erforderlich hielt, zumal auch unsere Mühlenkatzen, die mir hinterher gekrochen waren, keinerlei Angsterscheinungen zeigten.
Katzen in der Kappe(1).jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Katzen in der Kappe(2).jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Doch wie bereits gesagt, ist es völlig unwichtig, ob man bei Sturm in die Kappe kraxelt oder nicht. Bei etlichen Kappen so wie deiner wird das auch gar nicht erforderlich sein, wenn alle wichtigen Bedienelemente von außerhalb der Kappe betätigt werden können wie z.B. Vordrehung und Rücklaufsperre (in Straupitz geht das eben nur innerhalb der Kappe).
Aber das entscheidende und wichtigste Verhalten bei Sturm, was ich deinen Darlegungen entnehme, besteht wohl darin, dass man im Sturm keine Windmühle ohne Aufsicht lassen sollte. Es sei denn, dass die Mühle bereits vor dem Sturm absolut sturmsicher gemacht wurde, so wie es z.B. in Westgroßefehn/Ostfriesland, in Rövershagen/Meck-Pomm oder in Syrau/Vogtland praktiziert wird.
Doch was wäre mit der Kriemhildmühle passiert, wenn Dir die Arbeit in der Bäckerei wichtiger gewesen wäre als sich um die Mühle zu kümmern?! Nicht auszudenken! Vielleicht hätte sie das gleiche Schicksal erlitten wie Eisbergen, die im Sturm komplett abgebrannt ist. Wobei viele Fachleute die Meinung vertreten, dass diese Katastrophe durchaus hätte verhindert werden können, wenn in der Unglücksnacht jemand an der Mühle gewesen wäre.
Keine verantwortungsbewusste Mutter würde ihr Kind bei Fieber, Krankheit oder einer sonstigen Gefahr alleine lassen, sind die Mühlen nicht wie unsere Kinder? Man hat sie in aufopferungsvoller Arbeit wieder hochgepäppelt und viel Kraft, Nerven und Freizeit investiert, oft genug auch sehr viel Geld, meistens wohl aber fremdes Geld bzw. Steuermittel. Warum werden sie dann aber von manchen in höchster Not und Gefahr alleine und ihrem Schicksal überlassen? Warum wird die Fürsorge und Hilfe gerade dann verweigert, wenn es am nötigsten wäre? Ich versteh's nicht!
Meiner Meinung nach sollte im Ernstfall bzw. bei drohender Katastrophengefahr jede Mühle betreut und geschützt werden, egal ob hauptberuflich oder ehrenamtlich! Und wenn jemand meint, das geht nicht (weil man ja anderswo arbeitet und nicht immer auf der Mühle sein kann), dann wäre es wohl an der Zeit, mal darüber nachzudenken, wie sich das ändern lässt. Bei der freiwilligen Feuerwehr funktioniert das doch sehr gut, warum nicht auch bei Mühlen- oder Heimatvereinen, die eine Mühle ehrenamtlich betreuen? Hat man sich überhaupt schon mal die Mühe gemacht, und eine Art Katastrophenplan erarbeitet oder wenigstens mal diskutiert? Ich könnte mir vorstellen, dass man sich z.B. in Bunde noch weitere ehrenamtliche Helfer ins Boot holt und diese in Sachen Sturmsicherung schult. Oder wenn das nicht geht, macht man mal eine Übung der Feuerwehr an der Mühle und weist die Kameraden ein, was sie bei drohendem Sturm machen müssen. Man kann ihnen auch einen schriftlichen Notfallplan und den Mühlenschlüssel in die Hand geben.
Aber bevor mir jetzt wieder jemand "weltfremdes Gefasel" andichten will, sage ich gleich dazu, dass ich in Straupitz schon zwei Übungen der FFW an der Mühle initiiert habe - jeweils für 'ne Kiste Bier, hat sich für beide Seiten aber gelohnt.
So, mein lieber Arno, ich habe fertig, jetzt darfst du!